Was wir von Corona hoffentlich lernen können
„So sicher, wie wir unser Leben immer glaubten, ist es gar nicht. Zumindest das haben wir durch dieses mysteriöse Coronavirus, das die ganze Welt durcheinander bringt, lernen dürfen.“ Meint Gastautorin Michèle Halder, die bewusst von DÜRFEN schreibt. Denn die Düsseldorferin betrachtet jede Lektion, die ihr das Leben beschert, als etwas Positives, weil: „Es bringt mich in meiner Entwicklung weiter, auch wenn ich schon 60 Jahre auf dem Buckel habe.“ Heute beschreibt sie, was nach Corona hoffentlich bleiben wird.
Das Erste, das mir auffiel, als COVID19 anfing unser Land, unsere Köpfe und unser Handeln signifikant zu beeinflussen, war die tiefe Stille, die uns auf einmal umfing, wenn wir draußen in der Natur waren. Kein Flugzeug, kein Zug, die Autobahnen waren fast leer.
So still war es in unserer näheren Umgebung – wir leben im Düsseldorfer Norden, der Flughafen ist um die Ecke – noch nie. War da früher ein Grundrauschen der nahen Großstadt, hörten wir nun das Rascheln der Bäume im Wind und das mannigfaltige Gezwitscher von Vögeln. Die Welt schien zunächst in Schockstarre, dann aber schnell in einen gemächlicheren Rhythmus zu verfallen. Das hat sich zunächst angefühlt, als seien wir in den Ferien.
Menschen machten Homeoffice. Firmen, die diese Praxis für sich vor COVID19 ausgeschlossen hatten, mussten so arbeiten (lassen) und haben gemerkt: es geht. Im dritten Jahrtausend nach Christus können wir wahrhaftig die ersten Schritte in eine digitale Arbeitswelt wagen.
Und wie es funktioniert! Mein Mann hat im Januar einen neuen Job angetreten und durch die Kultur, die sich durch das Homeoffice entwickelt hat, konnte er viele seiner neuen Kollegen besser und schneller kennenlernen – so, als hätte er jeden Tag mit ihnen in einem Büro gesessen. Montags wird sich gegenseitig in der TelKo erst etwas Nettes aus dem Wochenende erzählt, bevor die fachlichen Themen ihren Platz einnehmen. So arbeitet man nun in einem Umfeld, in dem man sich auch auf privater Ebene zu schätzen lernt. Die Kollegen haben festgestellt, dass ihnen diese neue Art zu Arbeiten gut tut.
Sicher: In so mancher Familie, die auf beengtem Raum mit Kindergartenkindern oder jüngeren Schulkindern lebt, ist Homeoffice eine Herausforderung. Überhaupt, die jüngeren Kinder zu Hause zu unterrichten, zu unterhalten und ununterbrochen bei Laune halten zu müssen, stellt sich für so manche Familie als gar nicht trivial heraus. Einer unserer Freunde erzählte am Telefon davon, dass die Kinder der Nachbarn nach drei Wochen daheim im „Lagerkoller“ begonnen hätten, die Tapeten von den Wänden zu knieseln.
Andererseits habe ich schon lange nicht mehr so viele junge Familien mit ihren Kindern auf Abenteuertour mit dem Rad oder zu Fuß im Wald gesehen.
Die Natur bekam eine ganz neue Bedeutung und ich bin sicher, dass auch viele neue Verbindungen zu Feld, Wald und Wiese geknüpft wurden.
Ein weiterer schöner Nebeneffekt des Arbeitens im Homeoffice ist die Entlastung der Autobahnen und Innenstädte vom Individualverkehr. Bessere Luft, weniger Hektik, entspannteres Fahren, wenn man dann doch einmal in die Stadt muss. Und einen Parkplatz gibt es auch noch obendrein.
Ich meine, das könnte doch gerne so bleiben, nicht wahr? Die Hälfte der Belegschaft ist im Büro, die andere im Homeoffice. Das kann turnusmäßig wechseln und schon haben wir eines der dickeren Pakete „Umweltbelastung durch Individualverkehr“ sehr schön schrumpfen lassen.
Die Ozeane und Meere erholen sich vom andauernden Massentourismus auf Kreuzfahrtschiffen, die derzeit nicht fahren. Man sichtet Delfine und Wale an Orten, von deren Panorama sie schon lange verschwunden waren. Vielleicht denken wir alle einmal darüber nach, wie wir unsere Reisen demnächst gestalten.
Brauchen wir wirklich allerbilligste Flüge innerhalb Europas, damit wir in London, Mailand, Paris oder Madrid einkaufen können?
Die Preise gehen ja nicht nur zu Lasten der Umwelt, sie gehen auch zu Lasten von überfordertem, schlecht ausgebildetem und schlecht bezahltem Kabinenpersonal. Fair geht anders und einkaufen kann man zu Hause. Wir brauchen nicht alles aber billig. Wir brauchen eine gesündere Welt und mehr Verantwortungsbewusstsein, auch den Menschen gegenüber, die davon leben möchten und müssen, dass wir ihre Länder besuchen. Auch hier sollte mit mehr Fairness in Sachen Lohn gearbeitet werden.
Wir könnten auch lernen, in den Zeiten, die uns ein Leben in der Öffentlichkeit ohne Maske wieder erlauben, die uns zunächst aufgezwungene Rücksichtnahme auf unsere Mitmenschen beizubehalten. Sprich: Beim nächsten Schnupfen trage ich ganz brav wie jeder Asiate einen Geschichtsschutz und verteile meine Viren nicht munter in Bus und Bahn und im Lebensmittelladen.
Und wir können lernen, bewusst mit unserem Leben umzugehen. Das Schöne, das uns die Natur bietet, zu genießen. Uns gesund zu ernähren, gute Lebensmittel wertzuschätzen und sie dementsprechend auch zu bezahlen. Nicht billiges Fleisch wollen, das unter jämmerlichen Umständen für Tier und Mensch produziert wurde, sondern gutes.
Wenn wir all diese tollen Aspekte, die uns die Coronakrise trotz all ihrer aufreibenden und traurigen Umstände beschert hat, in die Zeit danach weitertragen, dann sehe ich ohfamoosen Zeiten entgegen. 🙂
Michèle Halder ist eine der Gastautorinnen von ohfamoos. Sie ist glücklich, wenn sie ihre Gedanken mit anderen teilen kann und freut sich auch über Meinungen, die nicht ihrer entsprechen. Die Düsseldorferin möchte Diskussionen fördern und den Austausch von Positionen vorantreiben.
Fotos: Pixabay
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