Gemeinsam ein Netz knüpfen
Gemeinsam ein Netz knüpfen, das macht Sabrina Juschka unsere heutige Gastautorin. Sie und Elke kennen sich aus dem Offenen Schreibcafé im Kölner Westen. Dort schreiben diverse Menschen einmal wöchentlich an ihren Projekten: Bücher, Rezensionen, Webseiten, Blogs, Flyer oder auch ganz intuitiv. Und wenn es „nur“ die To-Do Liste ist 🙂 Sabrina schreibt dort gern poetische Kurzgeschichten, gefühlsbetont und oft lyrisch anmutend. Wie diese hier – eine Gedankenreise über Freundschaft und gute Beziehungen.
Zwischen rosaroten Hortensien spannt sich ein fast unsichtbarer silberschimmender Faden. Ich bin immer wieder beeindruckt von der filigranen Beschaffenheit eines Spinnennetzes. Wenn sich die Möglichkeit bietet, schaue ich begeistert bei der Entstehung zu. Zielstrebig und gewissenhaft verknüpft das Insekt seine Fäden zu einem sicheren Konstrukt, das es am Leben erhält.
Die Spinne webt emsig und ohne Unterlass, selbst wenn jemand ihr Zuhause zerstört, lässt sie sich nicht beirren und fängt von vorne an. Das Gebilde ist ein überlebenswichtiger Bestandteil ihres Daseins. So schickt mich die Spinne und ihre Art, dem Leben mit ihrem Weben zu begegnen, auf eine Gedankenreise.
Eine Verbindung zwischen zwei Menschen
Ich stelle mir vor, dass eine Beziehung und deren Entwicklung vergleichbar ist mit der Arbeit des achtbeinigen Gliedertieres. Ich bilde mir ein, dass die zwei Hortensienblüten sinnbildlich für zwei Menschen stehen und der silberschimmernde Verbindungsfaden der Beginn ihrer gemeinsamen Beziehung darstellt. Zwar ist dieser stark, aber noch nicht stark genug, es fehlt noch das Netz, um die Beziehung tragfähig zu machen.
Wenn ich mir überlege, welchen Widrigkeiten das Bauwerk einer Spinne ausgesetzt ist – Regen, Wind, Sturm … die ganze Vielfalt der Welt; und trotzdem: Jeder, der schon mal durch ein richtiges Spinnennetz gelaufen ist, konnte spüren wie erstaunlich schwer es ist, es zu zerreißen.
Dieses fast unsichtbare Netz ist so kraftvoll und robust, dass es mich immer wieder in Erstaunen versetzt. Welch wunderbares erstrebenswertes Gebilde.
Was, wenn wir das in unserer Beziehung auch schaffen?
Wenn wir uns gegenseitig mit Vertrauen, Liebe und Achtsamkeit beschenken, dann weben wir gemeinsam, Masche um Masche, ein Netz entlang unserer Verbindungsschnur. Mit jeder Begegnung, mit jedem gemeinsamen Kontakt, den wir wohlwollend gestalten, entsteht ein neuer Strang, eine weitere Verknüpfung. Unser Netz würde zu einer ertragreichen, nährenden und stabilen Quelle, die uns gegenüber den äußeren Umständen Kraft und Schutz spenden kann.
Was aber, wenn es eingerissen wird? Ist es dann für immer zerstört? Oder erinnern wir uns, genau wie die Spinne daran, wie sehr uns das Netz schon unterstützt hat? Und wären wir dann ebenso durchsetzungsfähig, wie dieses Geschöpf und würden es neu aufbauen ohne der Vergangenheit zu grämen? Mit dem Blick auf die Zukunft, was die neuen Verflechtungen für uns bereithalten könnten?
Aber genau wie das Insekt, weiß auch ich, dass nicht jeder Ort – sprich: nicht jeder Mensch – sich dazu eignet, gemeinsam ein Netz zu knüpfen.
Selbst wenn die Schnur schon gespannt wurde, ist man frei zu entscheiden, in der Beziehung zu bleiben oder sie zu beenden.
Zumal auch nicht jedes zu Bruch gegangene Gebilde erneuert werden sollte, denn manchmal gibt es einen berechtigten Anlass zu gehen und sich mit einem anderen Menschen zu verbinden.
Netze sind filigrane Gebilde
Essentiell ist es – und ich bin mir sicher, so hält es auch die Spinne – zu überprüfen, warum manche Stränge eingerissen sind oder gar das ganze Bauwerk zerstört wurde. Und kennt man den Grund, den wahren Grund, dann kann man guten Gewissens die richtige Entscheidung treffen, ob man gemeinsam neu beginnt oder ob jeder für sich weiterzieht.
Verhält es sich mit den menschlichen Beziehungen auch so? Ist es wirklich vergleichbar? Ich glaube ja, zumindest ist eine tragende Beziehung existentiell für das Bestehen auf der emotionalen Ebene, ohne die wir zwar existieren, aber kaum wirklich am Leben teilnehmen würden. Wir wurden nicht geschaffen, um unser Dasein als Roboter zu fristen, sondern unser Leben in vollen Zügen zu genießen, mit all seinen Höhen und Tiefen. Und wie kann man dem Leben hoffnungs- und vertrauensvoller begegnen, als mit einem Auffangnetz, so stabil und energiespendend, wie das einer Spinne?
Sabrina Juschka lebt mit ihrem Mann und beiden Söhnen in Pulheim. Ganz nach ihrem Credo „Schreiben ist viel mehr, als nur das Aneinanderreihen von Wörtern. Schreiben ist ein Weg zu mir selbst, aus mir raus und zu anderen hin.“ fängt sie ihre Sicht auf das Leben und dessen Facettenreichtum gerne in Texte ein. Ihren 1. Gastbeitrag schrieb sich über die merk-würdige Coronazeit. Übrigens: Wer bei Sabrina das Schreiben erlernen möchte, kann dies in dieser Schreibwerkstatt tun.
Fotos: Pixabay
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