Schülerin über Schule: „Fühlen uns wie ein Steak in der Pfanne“
Wir haben schon von Hanno, Schüler aus Bayern, gehört, wie er den Schulalltag mit Homeschooling während des Corona Lockdowns empfunden hat und welche Verbesserungen er sich vorstellen könnte. Heute berichtet die 17jährige Cara, Sonjas Nichte aus Hessen, wie sie während der Coronakrise zuhause gelernt hat und welche Änderungen sie sich im Schulalltag wünscht.
Cara, was hat bei Dir während des Home Unterrichts gut funktioniert?
Am Anfang des Homeschoolings lief alles über ein E-Mail-Postfach, welches mit Mails von Lehrern regelrecht zugespamt wurde. Zum Glück wurden wir über die Coronasituation an unserer Schule über die Homepage informiert. Schnell begriff unsere Schule, dass es mit der Kommunikationssituation so nicht weiter gehen kann. Um diese für Lehrer und Schüler einfacher zu machen, wurde der Schulserver IServ eingeführt. Diesen kann man sich ganz einfach mit einer App aufs Handy holen. Mit einem Messenger, Aufgabenportal, E-Mail-Funktion und vielem mehr macht es nicht nur die Kommunikation, sondern auch das Lernen sehr viel einfacher. Mit IServ konnten Lehrer zu jeder Aufgabe ganz einfach ein Feedback verfassen, dies machte das Bearbeiten der Aufgaben einfacher für uns. Allerdings kam es dabei auch auf den Lehrer an. Manche sind schneller, manche langsamer.
Was hat für Schüler nicht funktioniert?
Wie schon gesagt, wurde mit der Menge der Aufgaben leider oft übertrieben. Dazukommt, dass viele Lehrer IServ überhaupt nicht nutzten und weiter E-Mails verschickten. Natürlich waren alle Schüler jetzt auf IServ und deswegen nicht so sehr auf ihr Postfach fokussiert. Da viele Schüler mit den Aufgaben überfordert waren, machten sie nur die Aufgaben, welche sie an den Lehrer abschicken mussten. So entstehen natürlich Wissenslücken. Andererseits war vieles auch einfach in der gegebenen Frist nicht zu schaffen, hätte man jede einzelne Aufgabe bearbeitet. Nachdem man das Formular, in welchem man angeben musste welche Fächer man abwählt, abgeschickt hatte, hat man in diesen Fächern die Aufgaben sowieso nicht mehr gemacht. Die Lehrer haben auf eine nichtgemachte Aufgabe sowieso fast nie reagiert.
Wie alt sind Deine Lehrer?
Die meisten Lehrer sind zwischen 30 und 50 Jahren. Ich habe eine Referendarin im Alter von 27 in Deutsch und Sport und meine Englischlehrerin geht, denke ich, bald in Rente. Meine Klassenlehrerin, Ende 30, und die Referendarin haben sich mit Abstand am meisten Mühe im Homeschooling gegeben.
Wann lernst Du richtig gern?
Wenn der Lehrer die Schüler nicht mit Aufgaben zu bombardiert, seine Aufgaben interessant und anschaulich gestaltet und ein konstruktives Feedback gibt, dann lerne ich auch gerne. Meine Deutschlehrerin verknüpfte ihre Aufgaben oft mit Videos, in welchem sie uns Dinge erklärte oder verlinkte Artikel oder Videos, welche beim Lernen helfen sollten. Auch bat sie immer ihre Hilfe an, so konnte man sich in ihrem Fach sicher fühlen, was zu einem besseren Lernen beigetragen hat.
Viele Lehrer haben leider nicht so ein gutes Gefühl dafür, was ein angemessenes Volumen für die Aufgaben im Homeschooling ist.
Mein PoWi (Politik und Wissenschaft) Lehrer hingegen gab der Klasse im März eine 65-seitige PDF mit Aufgaben und damit hatte sich die Sache für ihn erledigt.
Was möchtest Du nach der Schule machen?
Ich habe viele Ideen, weiß aber auch nicht genau, was ich später mal machen möchte. Ich habe jetzt noch zwei Jahre bis zum Abitur und kriege langsam das Gefühl, dass mir die Zeit davonläuft. Ich glaube so geht es vielen. Ich und viele meiner Freunde wünschen sich, dass unsere individuellen Interessen und Stärken mehr gefördert werden. Auf diese Art wäre es bestimmt leichter, seinen Karriereweg zu wählen. Die Zukunft kann Angst machen. Wie muss ich mich später versichern? Wie funktionieren Steuern? Wobei muss ich bei der Jobsuche achten? Alles Fragen, die wir in der Schule nicht beantwortet bekommen.
Man fühlt sich wie ein Steak, dass 13 Jahre in der Gefriertruhe liegt und dann in eine unbekannte heiße Pfanne geworfen wird.
Aber um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube, die Mehrzahl aus meiner Klasse oder auch aus meinem Jahrgang hat keine Ahnung, was sie später mal machen möchte. Die meisten fokussieren sich so sehr auf das Abitur, dass sie sich keine Gedanken um ihre Zeit danach machen.
Habt Ihr Video-Unterricht während des Homeschoolings gehabt?
Mein Chemie- und Mathematiklehrer entschied sich, zweimal pro Woche via ZOOM für 30 bis 45 Minuten Unterricht zu machen. Allerdings haben das viele Schüler nicht ernst genommen und nach drei ZOOM-Stunden waren alle Kameras der Schüler aus. Auch unser Physiklehrer hat Online-Meetings via IServ angeboten, diese waren aber freiwillig. Nach drei Stunden hat an diesen keiner mehr teilgenommen. Er schrieb in den Messenger, dass er die Stunde beendet, wenn in den nächsten fünf Minuten keiner kommt.
Welche Vorschläge hast Du nach den Erfahrungen während des Lockdowns für die Schule?
Ich muss sagen, dass unsere Schule die gesamte Situation gut gemeistert hat. Über das Ricarda-Kiosk der Schulhomepage wurden wir immer über die aktuelle Situation informiert.
Die Schulleitung reflektierte, dass die Kommunikation für Schüler und Lehrer einfacher werden muss und, schwubbs, wurde IServ eingeführt.
Auch ist es wichtig auf die Schüler zu hören. Wenn diese konstruktive Kritik äußern, sei es wegen den vielen Aufgaben oder der schlechten Kommunikation mancher Lehrer, ist es wichtig zu wissen, wie man als Schule am besten damit umgeht. Nur IServ einzuführen, reicht nicht; die Schüler wissen mit neuen Medien umzugehen, einige Lehrer jedoch nicht.
Es ist wichtig, die Lehrer dahingehend aufzuklären – sonst kann die Situation nicht besser werden.
Würdest Du digitalen Unterricht z.B. einen Tag pro Woche befürworten?
Für einen Tag pro Woche halte ich digitalen Unterricht für eine sehr gute Idee. Mein Schulalltag während der Coronakrise bedeutet selbständig zu arbeiten und sich seine Zeit einzuteilen, was extrem wichtig für das spätere Leben ist. Für viele Kinder ist es wichtig, gerade das zu lernen. Ich hatte Glück, in eine Grundschule mit einem Jenaplan-Konzept gehen zu können. Dort gehörte das selbständige Lernen zur Tagesordnung.
Fotos: privat
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Hier geht es zum Interview mit Schüler Hanno aus Bayern.