Aufforstung als Kompensation?
Heute ist der Tag der Erde, und am 25. April ist der Tag des Baumes. Warum Bäume und Wälder für uns und die Erde so wichtig sind, das erklärt der studierte Forstwissenschaftler Martin Homola in seinem Gastbeitrag. Martin war 38 Jahre lang für die bundeseigene Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auf der ganzen Welt unterwegs und hat einen Vorschlag, wie wir uns mit Aufforstung als Kompensation für den Wald und die Welt engagieren können.
Im SPIEGEL vom 10. April ist nachzulesen, dass Bäume zu einer „Währung der Weltrettung“ werden können bzw. sollen. Mit Investitionen in Aufforstungen können Regierungen, Firmen und Verbraucher sich ihre CO2-Bilanz schönrechnen, indem sie Wald pflanzen (lassen). Aber ist das wirklich ein „Millionengeschäft?
Tatsächlich haben Wissenschaftler des Crowther Lab der ETH Zürich 2019 errechnet, dass es auf der Erde genug potenzielle Standorte für neue Wälder gebe, um einen sehr großen Teil der von Menschen hinterlassenen CO2-Emissionen zu binden. Mit anderen Worten: würde man alle Aktivitäten in die Aufforstung neuer Wälder lenken, müsste man nur noch ein Drittel aller Anstrengungen in die Reduzierung der Emissionen selbst stecken. In ihrer viel diskutierten Studie rechnet die ETH Zürich („The potential for global forest cover“) im Science Journal sogar vor: „Die weltweite Aufforstung von Wäldern wäre auf einer Fläche von 0,9 Milliarden Hektar möglich und könnte so zwei Drittel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen aufnehmen“ (kompensieren).
Bäume entziehen CO2
Bäume nehmen durch Photosynthese kontinuierlich CO2 auf. Bei einem Tropenbaum, der ganzjährig wächst, sind das pro Jahr 12 bis 15 Kilogramm. Sieben Tropenbäume entziehen der Atmosphäre in zehn Jahren ca. eine Tonne CO2. Ein Baum besteht knapp zur Hälfte aus Kohlenstoff, der konstante Zuwachs an Holz gewährleistet die CO2-Bindung. Heißt: Je mehr der Baum wächst, desto mehr Kohlenstoff nimmt er auf.
Der enorme Zuwachs an Biomasse macht einen aufgeforsteten Wald in den Tropen in der Aufwuchsphase besonders wertvoll für die CO2-Speicherung. In 60 Jahren nimmt er fast 90 Prozent der möglichen Biomasse zu. Danach wird er vom CO2-Aufnehmer zum bleibenden Speicher (Tropisches Forschungsinstitut Smithsonian in: GEO Magazin Dezember 2020). Das klingt doch relativ einfach und damit verlockend, oder?
Und tatsächlich gibt es genügend brach liegende Flächen auf der Erde, die als Standorte für Wald geeignet wären (und früher sogar mal Wald waren). Die könnte man aufforsten – was natürlich auch Geld kostet, das aber wiederum gut investiert wäre!
Unternehmen setzen auf Kompensation
Immer mehr Unternehmen reduzieren so ihre CO2-Emissionen und kompensieren ihre nicht vermeidbaren Emissionen. In den Regalen mehren sich Produkte, die als klimaneutral gelabelt sind, und selbst Discounter werben mit einem klimaneutralen Sortiment. Im letzten Jahr haben mehrere große Firmen angekündigt, in den nächsten 20 Jahren komplett klimaneutral zu werden. Klimaneutralität ist ein Schlagwort der Stunde – doch um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 noch zu erreichen, reicht es nicht aus, CO2-Emissionen zu reduzieren, zu vermeiden oder über Kompensation zu neutralisieren. Es ist jetzt tatsächlich dringend notwendig, der Atmosphäre aktiv im Rahmen der „Kompensation“ Kohlenstoff zu entziehen!
Der Wald als Retter
Wald ist fast das einzige natürliche Mittel, durch Fixierung der Atmosphäre CO2 zu entziehen! Damit bekommen die (oft vergeblichen) Versuche z.B. in der „Entwicklungshilfe“, große Flächen v.a. in Ländern der Dritten Welt wieder aufzuforsten, eine ganz neue Bedeutung – und sogar die Chance, diesmal erfolgreicher als in der Vergangenheit zu sein. Große Firmen oder Regierungen von Industrieländern könnten in großem Maßstab riesige brachliegende und für die Landwirtschaft uninteressante Flächen in anderen Ländern aufforsten, bzw. deren Aufforstung finanzieren und sich in der Klimabilanz selbst anrechnen lassen.
Klima – das spürbare Phänomen
Das Klima ist ein weltweit spürbares Phänomen und macht vor Ländergrenzen nicht Halt: Versicherungen, Banken und global agierende Transportunternehmen in den USA oder in Europa könnten sich durch Aufforstungs-Investitionen in ärmeren Ländern ihre immer noch verheerende CO2-Bilanz nicht nur „schönrechnen“, sondern nachprüfbar zur großflächigen Kohlenstofffixierung beitragen, sich in kurzer Zeit im Idealfall als „klimaneutral“ bezeichnen.
Aber dafür braucht es Zeit, viel Zeit sogar. Auch hier gibt es viele Geschäftemacher, die jetzt ihre Chance wittern! Dazu muss man wissen: nicht jede Fläche ist für die Bepflanzung mit jeder Baumart geeignet.
Und einen natürlichen Regenwald kann man nicht pflanzen, sondern der ist das Ergebnis einer Jahrhunderte alten natürlichen Sukzession.
Ein natürlicher und artenreicher Wald in jeder Klimazone hat sich durch natürliche Prozesse langsam entwickelt und entwickelt sich auch weiter; vorausgesetzt, man minimiert die menschlichen Eingriffe oder überlässt den Wald ganz sich selbst!
Klimaxstadium und Monokulturen
Was viele nicht glauben: ein echter, sich komplett selbst überlassener natürlicher Urwald fixiert in seinem „Klimaxstadium“ gar kein zusätzliches CO2, sondern setzt durch z.B. zusammenbrechende und verrottende Bäume wieder in etwa gleich viel CO2 frei, wie er durch natürlich nachwachsende Bäumchen wieder fixiert! Ebenfalls eher unpopulär ist die Erkenntnis der Tatsache, dass reine gleichaltrige Aufforstungsflächen (vielleicht sogar mit nur einer Baumart –sog. „Monokulturen“ also!) vorübergehend deutlich mehr zusätzliches CO2 fixieren können als ein natürlicher Wald, der „schon immer da“ war und sich „selbst verjüngt“, also ohne menschliches Eingreifen seine Samen aufgehen und seine „Nachkommen“ heranwachsen lässt.
Aufforstungen zur Holzerzeugung
Bei dieser Art von Berechnung wird freilich vergessen, dass Aufforstungen, die der reinen Holzerzeugung dienen, sehr teuer und vielerlei Gefahren ausgesetzt sind (Sturm, Feuer). Sie brauchen sehr viel Pflege und werden nach der Holzernte dann oft aus Kostengründen wieder abgefackelt, um Platz für neue zu schaffen – und hier wird dann wieder unverhältnismäßig viel CO2 freigesetzt. So oder so: nach der Aufwuchsphase wird Wald vom CO2-Fixierer zum CO2-Speicher.
Und trotzdem lohnt sich die Aufforstung von Brachflächen rein von der CO2-Bilanz her in den ersten 30 – 60 Jahren.
Egal, ob das Ziel der Holzerzeugung oder die Begründung von Naturwald im Vordergrund steht. In der Aufwuchsphase nehmen Bäume mehr CO2 auf als jede andere Form der Vegetation, aber was danach passiert, sollte man auch im Auge haben. Einen aus meiner Sicht vielversprechenden Weg geht hier z.B. schon seit einigen Jahren die „BaumInvest AG“, mit Sitz in Freiburg und mit über 2.000 ha schon erfolgreich aufgeforsteter Fläche in Costa Rica in Mittelamerika.
BaumInvest
Kurz beschrieben geht die BaumInvest so vor: ehemalige, inzwischen aufgegebene Weideflächen werden käuflich erworben und wieder mit heimischen Baumarten bepflanzt. Und zwar in einer Artenzusammensetzung, wie sie in etwa der natürlichen Vegetation entspricht. Natürlich muss man auch hier mit sog. „Pionierbaumarten“ beginnen, die lichtbedürftig sind, relativ schnell wachsen und dann nach einiger Zeit wieder entnommen werden, um den nachwachsenden weniger lichttoleranten Baumarten Platz zu machen.
Die natürliche Sukzession wird so verkürzt, enorm viel CO2 wird fixiert, und nach einigen Jahrzehnten wird dieser Wald dann sich selbst überlassen und womöglich zum Naturschutzgebiet erklärt. Zumindest in seiner „Aufwuchsphase“ hat dieser Wald dann so viel CO2 aufgenommen und dauerhaft fixiert, dass es auch für andere Unternehmen z.B. in Deutschland interessant ist, sich finanziell an den Kosten von Land und Aufforstung zu beteiligen (oder diese sogar ganz zu übernehmen). Außerdem werden, so die Theorie, lokale Arbeitsplätze geschaffen, die es in dieser Form ohne das Projekt nicht gäbe.
Diese Unternehmen können so klimaneutral werden: sie gleichen ihre nicht-vermeidbaren Emissionen mit einem eigenen sozial-ökologischen Klimaschutzprojekt aus.
Sie sind engagiert, denn sie übernehmen Verantwortung und lassen andere daran teilhaben. Sie überzeugen ihre Kunden, Geschäftspartner oder Gesellschafter mit ihrem eigenen CO2-Wald. Als CO2-Wald-Partner der BaumInvest erhalten diese Unternehmen auch weiterhin argumentative Unterstützung durch die BaumInvest selbst. Die Marke dieser Unternehmen scheint dann wirklich glaubwürdig, weil sie den Beweis ihres CO2-Ausgleiches entweder durch anerkannte Zertifizierungsstandards oder begleitende wissenschaftliche Studien führen können.
Kompensationswälder
Inzwischen gibt es mehrere Anbieter solcher „Kompensationswälder“. Das Beispiel scheint Schule zu machen, und es besticht durch eine echte win-win Situation. Überzeugend ist dieses Konzept, weil es praxisnah, kurzfristig umsetzbar, finanzierbar und sozialverträglich ist. Andererseits werden kommerzielle Firmen sich auf eine solche Konstruktion nur in Ländern einlassen, in denen es auch eine hinreichende Rechtssicherheit für derartige Investitionen gibt.
Wie es in Costa Rica der Fall ist.
Martin Homola, Dipl.-Forstwirt, Forstassessor, Internationaler Forstsachverständiger. Inzwischen ist Martin im Ruhestand und freiberuflich tätig, u.a. im Aufsichtsrat der BaumInvest AG. Martin lebt in Oberursel/Taunus, ist verheiratet, Vater und Großvater und ist viel draußen unterwegs, auch mit dem Mountainbike und dem Motorrad. Bedingt durch seine vielen Berufsjahre im Ausland ist er allerdings etwas „reisemüde“.
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Fotos: BaumInvest und privat
Danke! Prima Motivationsmaterial fuer unser neues Mangrove-Planting-Project fuer meinen Soroptimist Club-Dubai, das ich gerade auf den Weg bringe!