Kommunalpolitik weiter männerdominiert
Die Hoffnungen waren groß und die Wahllisten gaben es auch her, doch am Ende änderte sich nicht viel in der hessischen Kommunalpolitik. Zwar gibt es nun mehr Frauen als Mandatsträgerinnen, aber die wichtigen Posten verbleiben weiterhin in Männerhand. Unsere Gastautorin Heike Lachnit berichtet.
Im März gab es Kommunalwahlen in Hessen. Im Landkreis Limburg-Weilburg, in dem Heike Lachnit journalistisch tätig ist, lag der Frauenanteil vor den Kommunalwahlen bei 14 Prozent. Nach der Wahl stieg dieser Anteil auf 23 Prozent. Immerhin, könnte man meinen!
Die gute Nachricht
Die gute Nachricht ist deshalb auch: Es gibt im Landkreis Limburg-Weilburg kein Kommunalparlament mehr, dass rein aus Männern besteht. Aber die 30 Prozent, wie sich dies die Frauenbeauftragte des Landkreises, Ute Jungmann-Hauff, vor den Wahlen gewünscht hatte, konnten nicht erreicht werden.
Den größten Zuwachs an Frauen verzeichnete das Bündnis 90/ Die Grünen. Und obwohl die Grünen die Gewinner der Wahl sind, bleiben im Landkreis Limburg-Weilburg die alten Verhältnisse bestehen. Nachdem sich Kreistag und Ausschüsse konstituiert haben, ist das Bild erschreckend.
Die große Koalition aus CDU und SPD dominiert im Kreis wie auch in den letzten 30 Jahren das Geschehen. Und obwohl sie zusammen fünf Sitze verloren und die Grünen fünf Sitze gewonnen haben, beharrt die GroKo auf ihrer Mehrheit und besetzt die Ausschüsse mit ihren Vorsitzenden und Stellvertretern. Fähige Personen, bei den Männern wie auch bei den Frauen, gibt es in der Kommunalpolitik bestimmt, aber am Ende finden sich in den Gremien elf Männer und nur eine Frau wieder. Das spiegelt in keiner Weise die Gesellschaft im Landkreis wider.
Die schlechte Nachricht
Die schlechte Nachricht ist daher : Noch erschreckender sind die Zahlen beim Blick auf den Frauenanteil im Magistrat, dem Gemeindevorstand oder dem Kreisausschuss. Nur 14 Prozent Frauen lassen sich in diesen Gremien wiederfinden. Und auch wenn in jedem Kommunalparlament Frauen zu finden sind, gibt es einige Kommunen, in denen keine Frauen im Magistrat oder Vorstand sitzen.
Die Frauenbeauftragte Ute Jungmann-Hauff äußert sich in einer Pressemitteilung verhalten positiv: „Frauen sind in der neuen Legislaturperiode weiterhin in den Parlamenten unterrepräsentiert, aber sie haben aufgeholt, und das ist gut.“ Sie bedauert jedoch, dass auch in den nächsten fünf Jahren die Entscheidungen in den Kommunen hauptsächlich von Männern getroffen werden. Die Frauenbeauftragte kann nicht verbergen, dass sie sich mehr erwünscht hat. „Besonders auf kommunaler Ebene wäre es wünschenswert, wenn Frauen an den Entscheidungen beteiligt wären, denn diese Entscheidungen haben unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag und das Leben in der Kommune“, so Jungmann-Hauff.
Beispiel: Limburg-Weilburg
In absoluten Zahlen haben sich 184 Frauen im Landkreis Limburg-Weilburg erfolgreich zur Wahl gestellt, das sind 25 Prozent mehr als bei der Kommunalwahl 2016. Damals waren 147 Frauen in die Parlamente der Städte und Gemeinden, inklusive Kreistag, gekommen, ohne die Ortsbeiräte. Erstaunlich viele Frauen, nämlich 98, sind in dieser neuen Legislaturperiode „Neueinsteigerinnen“, das sind fast 50 Prozent aller Mandatsträgerinnen. Darunter gibt es auch Frauen, die früher schon einmal politisch aktiv waren und nun wieder dabei sind.
Dass sich der Frauenanteil erhöht hat, ist auch mit darauf zurückzuführen, dass das Frauenbüro immer wieder Veranstaltungen und Workshops anbietet, um den Frauenanteil zu erhöhen. (Pressemitteilung)
Die Realität der Kommunalpolitik
Die Realität: Neben dem leider immer noch geringen Frauenanteil stimmt eine weitere Zahl nachdenklich. Über 40 Prozent der Menschen sind im Landkreis Limburg-Weilburg erst gar nicht zur Wahl gegangen und haben ihre Stimme nicht abgegeben. Es ist auch gar nicht so leicht, herauszufinden, warum sie nicht wählen gehen. Denn Nichtwähler äußern sich meistens nicht. Dabei sind Kommunalwahlen die Wahlen, die BürgerInnen am ehesten betreffen. Auf kommunaler Ebene wird entschieden, welche Radwege gebaut, welche Gebühren erhoben werden und wie teuer der Kitabesuch ist.
Nicht zu wählen, ist für mich ein deutliches Zeichen von Politikverdrossenheit. Ausdruck eines Gefühls, dass „die da oben sich sowieso nicht für mich interessieren.“ Zwar ist die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl mit über 70 Prozent immer höher als bei einer Kommunalwahl, aber erste Gespräche zeigen mir bereits jetzt: Viele Menschen sind unschlüssig, was sie wählen sollen und wissen nicht, welche Partei wirklich ihre Interessen vertritt.
So sitzen im Deutschen Bundestag über 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch zu zwei Dritteln Männer. Macht und Repräsentation sind ungleich verteilt. Was für den Bundestag gilt, sieht auch auf Länderebene nicht wirklich anders aus, wobei zwischen den einzelnen Bundesländern eine große Spannweite der Frauenanteile besteht.
Die Hoffnung
Die Hoffnung: Frauen sind aber nicht unterrepräsentiert, weil sie sich nicht für Politik interessieren. Dieser Schluss wäre zu einfach. Vielmehr ist es so, dass die Formen politischer Arbeit meist männlich geprägt sind. Wer Politik in verantwortlichen Positionen mitgestalten will, kommt meist an den Parteien nicht vorbei. Sie verändern zwar parteiinterne Nominierungen zugunsten von Frauen, nicht aber die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Gesellschaft. Die unverzichtbaren Leistungen bei Kindererziehung, Hausarbeit und Pflege werden nämlich nach wie vor in erster Linie von Frauen erbracht – unentgeltlich.
Seit Jahren wird in Deutschland darüber diskutiert, ob den Parteien deshalb nicht verbindliche Vorgaben für die geschlechterparitätische Gestaltung ihrer Wahllisten gemacht werden müssten. Frankreich, Belgien, Portugal, Spanien und Slowenien haben in ihren Wahlgesetzen bereits Vorschriften zur paritätischen Besetzung von Wahllisten verankert. Diese gehen teils über die kommunale Ebene hinaus und sehen in unterschiedlichen Regelungsformen Geschlechterquoten zwischen 40 und 50 Prozent vor. Insbesondere auch die nordischen Staaten gehören zu den Trendsettern in Sachen Parität.
Zurück zur hessischen Kommunalwahl – bei vielen bestand im Vorfeld der Wunsch nach einer besseren Durchmischung der Parlamente. Und auch wenn mehr Frauen wie auch mehr junge Menschen in die Parlamente gewählt wurden, so hat es nicht gereicht, alte Strukturen wirklich aufzubrechen. Und am Ende blieb es dieses Mal nur bei dem bei dem Wunsch.
Mein Fazit: Gute Politik, die die Gesellschaft in allen Facetten spiegelt, braucht mehr als gute Wünsche. Es wäre ohfamoos, würden die Frauen jetzt erst recht anpacken und mit ihrem Wirken zeigen: So verändern Frauen die Politik.
Auch interessant – der Blick nach Baden-Württemberg, denn dort sind von 102 Oberbürgermeistern gerade mal 7 Frauen.
Fotos: Heike Lachnit, pixabay
Du hast völlig recht liebe Heike, um auf Elz zu kommen 2 Beigeordnete Frauen, davon die 1. Beigeordnete, jetzt nur noch 2 Beigeordnete von der CDU. SPD und BL, die die Mehrheit haben, entsenden keine Frauen in den Gemeindevorstand.
Meine Partei hat mich zur Vorsitzenden im HFA vorgeschlagen, wurde auch einstimmig bei eigener Enthaltung gewählt. Das einzige Spitzenamt von Frau besetzt 🙏👍