Schwestern auf Augenhöhe
Zwei Schwestern, eine Herzensangelegenheit: Zu einem versöhnlicheren Umgang unter Schwestern möchten sie beitragen – die Schwestern-Coaches Cordula Ziebell, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Gestalttherapeutin, und ihre Schwester Barbara Ziebell, lösungsorientierte Beraterin und Trainerin für Seminardidaktik. Um das zu erreichen, bieten sie bereits seit 2010 Schwestern-Workshops an. Nun ist ihr Buch „Schwesternbande – Wie lebendige Schwestern-Beziehungen gelingen“ erschienen. Elke hat die beiden Frauen dazu befragt.
Wer eine Schwester hat, kennt vermutlich das Wechselbad der Gefühle: Gute Phasen mit liebevollen Emotionen füreinander, aber auch schlechte Phasen mit Missgunst bis hin zu Feindschaft, Wut und sogar Hass. Vielleicht habt ihr euch zwischendurch wieder angenähert, verziehen und versöhnt – oder auch Kontaktabbrüche erlebt.
Die Beziehung unter Schwestern entwickelt sich stetig
Denn eine Beziehung unter Geschwistern ist nicht statisch, sondern wandelt sich ständig. In allen Lebensphasen, insbesondere in der Kindheit und Jugend, kommt es dabei altersgemäß und abhängig von den Lebensbedingungen zu unterschiedlichen Entwicklungen und oft zu großen Schwankungen.
Die Schwestern Ziebell zeigen in ihrem Buch Wege auf, wie im Erwachsenenalter Schwesternbeziehungen anders, besser oder lebendiger gestaltet werden können. Und wenn dies nicht möglich ist? Auch dann können die Leserinnen von den jahrelangen Erfahrungen der beiden Frauen profitieren. Denn das Ratgeber- und Praxisbuch zeigt zudem: So kannst Du mit einer schwierigen oder unauflösbaren Situation Frieden schließen.
Immer geht es dabei um Begegnungen auf Augenhöhe und um das Auflösen verzwickter Schwesternbeziehungen.
Das Interview
Liebe Cordula und Barbara, im Vorwort eures Buches heißt es: Schwester zu sein, sei ein Abenteuer. Welche Höhen und Tiefen hatte euer Schwesternverhältnis?
Barbara: Ich bin dreieinhalb Jahre älter als Cordula und mir wurde von unseren Eltern sehr früh die Rolle der „Großen und Vernünftigen“ zugetragen. Cordula war die „Kleine, Süße“, die lange versuchte, den Alters- und Erfahrungsvorsprung einzuholen. Wir haben uns deshalb oft gezofft, aber auch heiß und innig geliebt.
Besonders eng zusammengerückt seid ihr nach der Trennung eurer Eltern und der psychischen Erkrankung Eurer Mutter…
Barbara: Genau, da war ich 13 und Cordula 10 Jahre alt. Später, während und nach unserer Pubertät, gingen unsere Wege auseinander und wir haben relativ wenig voneinander mitbekommen. Nach der Rückkehr von meinem mehrjährigen Auslandsaufenthalt kamen wir uns wieder näher, zumal wir beide dann Familie und Kinder hatten.
Der besondere Wert von Urlauben unter Schwestern
Cordula: Später haben wir dann begonnen, „Schwestern-Urlaube“ zu unternehmen. Alle zwei Jahre nur wir zwei. Ganz unter uns konnten wir Erlebtes in Ruhe bereden oder einfach nur herumalbern. Auch unsere alten Rollen ploppten dort natürlich auf: Barbara als „Vernünftige, Kluge“ und ich mit meiner Erfahrung und Frage „Kann sie wirklich alles besser als ich?“.
Kann sie?
Cordula: Nein, natürlich nicht! Ein „Geheimnis“ einer gelingenden Schwesternbeziehung ist, Verschiedenheit und Vielfalt zu nutzen. Zum Glück konnten wir viele alte Muster enttarnen, Schicht für Schicht abtragen und auflösen. Unsere Schwestern-Urlaube und besonders die Schwestern-Workshops waren und sind deshalb eine Heilung auch für uns selbst! Toll, dass wir zu unseren „Co-Creationen“ finden konnten, wie wir unsere gemeinsamen Projekte nennen.
Gutes Stichwort, denn schon seit 2010 führt ihr Schwestern-Workshops durch, gebt Geschwister-Coachings – warum jetzt dieses Buch?
Cordula: Weil wir erlebt haben, wieviel Kummer und Leid viele Frauen aus schwierigen Geschwister-Beziehungen mit sich herumtragen. Als Schwestern wissen wir zudem aus eigener Erfahrung um die Tücken dieser Beziehung – und erleben beide, was für ein Schatz es ist, wenn diese Beziehung gut funktioniert.
Barbara: Und nur wenige Beziehungen sind so intensiv und vielschichtig wie die von Schwestern.
Selbst ohne Kontakt wirkt ihr inneres Band unterbewusst weiter.
Cordula: Schwestern zu sein, kann bedeuten, eine tiefe emotionale Nähe, große Vertrautheit und Freude miteinander zu erleben. Doch kommt es häufig auch zu Neid, Rivalität, heftigen Streit bis hin zu Funkstille und Kontaktabbrüchen. Viele Frauen leiden darunter, sehnen sich nach einer vertrauensvollen Beziehung. In unserem Buch zeigen wir, wie alte Rollenmuster aufgedeckt werden und Begegnungen auf Augenhöhe entstehen können.
Was ist das Besondere an einer Schwesternbeziehung?
Barbara: Schwestern fühlen sich meist sehr nah, verbunden und vertraut. Sie teilen ihre Geheimnisse, albern gern miteinander herum. Doch als Mädchen identifizieren und vergleichen sie sich auch stark miteinander. Dies erfordert, dass sie sich stärker voneinander abgrenzen müssen als gegenüber Brüdern, die eh anders sind. Sie müssen und wollen ihre eigene Individualität entwickeln, was zu Wettstreit und Konkurrenzkampf führen kann. Zwischen diesen beiden widersprüchlichen Polen fühlen sie sich oft hin- und hergerissen und leiden unter ihren zwiespältigen Gefühlen.
Schwestern stehen unter einem „Harmoniezwang“
Cordula: Auch Familie und Gesellschaft erwarten, dass Schwestern immer nett, freundlich, liebevoll und harmonisch miteinander umgehen. Jungs hingegen dürfen und sollen sich ja sogar miteinander messen und rivalisieren. In unserer nach wie vor von Männern dominierten Welt werden Auseinandersetzungen und Konflikte unter Frauen eher negativ bewertet, Streit wird schnell als „Zickenkrieg“ abgetan. Viele Mädchen und Frauen übernehmen diese Idealvorstellung und trauen sich nicht, für ihre eigenen Bedürfnisse einzutreten.
Spielt die Position innerhalb der Geschwisterfolge eine Rolle?
Cordula: Zum Teil. Schwesternbeziehungen beruhen häufig auf moralischen Verpflichtungen und Verantwortungen innerhalb der Familie. Doch wir haben festgestellt, und so belegt es auch die Geschwisterforschung, dass die Geburtenrangfolge nicht zwangsläufig mit bestimmten Rollenzuschreibungen verbunden ist. Allerdings gibt es durchaus Häufigkeiten, also Rollenzuweisungen, die eher den Ältesten, Mittleren oder Jüngsten zugeordnet werden.
Welche?
Cordula: Recht verbreitet ist beispielsweise, dass älteste Schwestern zum Aufpassen und Kümmern um die Jüngeren angehalten werden. Die „Kleinsten“ fühlen sich dagegen oft nicht so recht ernst genommen. Und viele Mittlere wissen nicht, zu wem sie gehören, grenzen sich besonders ab und versuchen anders zu sein. Jedes Kind sucht seine eigenen „Nischen“, also Rollen, Verhaltensweisen und Aufgaben, die von den älteren Geschwistern noch nicht besetzt sind. Auch wiederholte Betonungen von bestimmten Eigenschaften durch die Eltern und das Umfeld, beispielsweise „du bist immer so empfindlich“, führen dazu, auf ein bestimmtes Verhalten oder eine Rolle festgelegt zu werden.
… was vermutlich nicht ohne Einfluss auf die individuelle Persönlichkeitsentwicklung bleibt?
Barbara: Genau, all dies beeinflusst das eigene Selbstbild sowie das Bild von der Schwester und kann zu massiven Störungen des Verhältnisses unter Schwestern führen; oft prägend für das ganze Leben – nicht nur im Verhältnis zur Schwester, sondern auch in anderen Beziehungen.
Hast du ein Beispiel?
Barbara: Wenn ein mittlerer Bruder und eine mittlere Schwester in einer Liebesbeziehung sind, ringen sie oft miteinander z.B. ums Gesehen- und Gehörtwerden. Im übertragenen Sinne tun sie das noch immer in ihrer Rolle als mittlere Geschwister. Auch im Kollegen- und Freundeskreis begegnen sich überall älteste, mittlere und jüngste Schwestern und Brüder.
Da prescht die Kollegin, eine älteste Schwester, beispielsweise häufig vor und reißt alles an sich, weil sie sich verantwortlich fühlt.
Können Schwestern, die sich aus den Augen verloren haben oder stark zerstritten sind, wieder Freundinnen werden?
Cordula: Konkret “Freundinnen“ würden wir es nicht nennen: Schwestern können sich zwar sehr freundschaftlich verbunden und wie Freundinnen fühlen, doch sie sind und bleiben Schwestern! Für ein gutes Gelingen einer Schwesternbeziehung ist es wichtig, ein wirkliches Interesse an der Schwester zu zeigen und verstehen zu wollen, wie sie die Familie erlebt hat, wie es ihr ging und heute geht und was sie sich von mir wünscht. Sich Zeit nur füreinander zu nehmen und die Sichtweisen der anderen zu erforschen. Die Haltung „Ach, sooo hast du das erlebt!“ ist ein wichtiger Schlüssel.
Es geht um „Schwestern auf Augenhöhe“, richtig? So heißt ja auch das Schlusskapitel eures Buches…
Cordula: Richtig, als Erwachsene geht es im Wesentlichen darum, dass Schwestern bzw. die Geschwister sich gleichwertig nebeneinander und auf Augenhöhe begegnen.
Dazu gehört es auch, verzeihen zu können und sich zu versöhnen – auch mit sich selbst und den eigenen Fehlern.
Barbara: Doch manchmal muss man auch anerkennen, dass es zu wenig Gemeinsamkeiten und Verständnis zwischen Schwestern gibt. Wenn die Beziehung sehr zerrüttet ist und beide sich bei Begegnungen immer wieder missverstehen, enttäuschen, Schmerz zufügen …, dann kann es besser sein, Abstand zu nehmen und sich zu schützen. Die Aufgabe und Herausforderung bestehen dann darin, das zu respektieren und Frieden zu machen mit der Situation – und auch mit sich selbst. Das ist gesünder, als immer wieder dasselbe zu versuchen und wiederholt verletzt zu werden.
Workshops
Wie gestaltet ihr eure Workshops? Was erwartet die Frauen dort?
Cordula: Es gibt zwei Formate: in dem Workshop „Ein Herz und eine Seele!?“ arbeiten Schwesternpaare oder auch Schwestern zu dritt zusammen an ihrer Beziehung. Hier üben sie zum Beispiel, aktiv zuzuhören und die Perspektive der anderen einzunehmen. Viel häufiger aber kommen Frauen allein zum Workshop „Geschwister – Herausforderung oder Chance!?“, weil sie unter ihrer Beziehung zur Schwester oder zum Bruder leiden, sich mehr Nähe wünschen, aber nur Distanz und Konflikte oder gar Kontaktabbruch erleben.
Bereits die Erfahrung, mit ihren Schwesternproblemen nicht allein zu sein, sorgt schon für große Erleichterung.
Barbara: Wir halten keine Vorträge zu Theorien oder Forschungen über Schwesternbeziehungen und wir geben auch keine Ratschläge. Wir leiten die Frauen an, ihre Schwesterndynamik aus verschiedenen Perspektiven anzuschauen. Im Vordergrund steht der Wunsch jeder Teilnehmerin, den sie für die Veränderung ihrer Beziehung zur Schwester formuliert. Möglichkeiten der Veränderung haben wir nur bei uns selbst! Andere, also auch die Schwester, können wir nicht ändern. Wir können folglich nur bei uns selbst beginnen.
Cordula: Dafür arbeiten wir u.a. mit angeleiteten Selbstwahrnehmungsübungen und mit sogenannten Zwiegesprächen sowie mit verschiedenen Aufstellungsformen. Einen Dialog mit einer Teilnehmerin als Stellvertreterin für die eigenen Schwester zu führen, ermöglicht ein Probehandeln. Durch unsere Methoden- und Perspektivenwechsel können die Teilnehmerinnen erste Lösungsschritte entwickeln.
Welche ersten Schritte tragen dazu bei, eine Schwester-Beziehung zu verbessern?
Barbara: Ganz kurz auf den Punkt gebracht, geht es um 5 Leitsätze: Eine andere Gesprächskultur entwickeln – offen und interessiert, wie man einer neuen Freundin begegnen würde. Sich von eingefahrenen Rollenmustern verabschieden, um neue Sicht- und Verhaltensweisen zu ermöglichen. Die Perspektive zu erweitern – denn meistens gibt es viel mehr als schwarz-weiß… Sich von Erwartungen an die Schwester zu lösen, denn WIR haben uns selbst getäuscht, nicht die andere UNS. Und last but not least geht es um Augenhöhe – um der Andersartigkeit eine Chance zu geben, DIE Voraussetzung für eine lebendige Beziehung.
Vielen Dank für eure Antworten!
Ein Buch für all diejenigen, die nach Lösungen für eine bessere Schwesternbeziehung suchen. Und/oder für die, die auch „nur“ mehr über ihre Beziehung zur Schwester erfahren wollen.
Cordula und Barbara Ziebell
SCHWESTERNBANDE Wie lebendige Schwestern-Beziehungen gelingen
Knaur, 1. Oktober 2021, 14,99 €, 240 Seiten
https://schwestern-workshops.de/schwesternbande-wie-lebendige-schwestern-beziehungen-gelingen
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Fotos via Barbara und Cordula Ziebell
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Und so denken wir von ohfamoos über unsere Schwestern…