Im Dschungel von Hartz IV, Bürgergeld und Grundeinkommen
Die Ampel-Regierung und die Opposition liefern sich wieder mal ein Gefecht, das viel Aufsehen erregt. Gerade geht es um das neue Bürgergeld, der Nachfolger von Hartz IV. Die Opposition schießt dagegen, in den Medien wird heiß diskutiert, verschiedene Begriffe werden genannt und am Ende blickt Sonja kaum noch durch. Hier ein Versuch der Aufklärung.
Wir alle kennen den Begriff Hartz IV (auch Arbeitslosengeld II genannt). Hartz IV deshalb, weil Peter Hartz und sein Team die Hartz-Reformen und die arbeitsmarktbezogenen Sozialgesetze erarbeitet haben. Darunter eben auch Hartz IV – der Teil der Reform, der sich mit den Leistungen für Arbeitslosengeld II-Empfänger befasst. Hartz IV wurde vor 20 Jahren konzipiert und im Januar 2005 eingeführt.
Der Unterschied zwischen Hartz IV und Sozialgeld?
Hartz IV erhalten Menschen, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, wenn bei Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht. Es ist eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende und folgt oft auf das Arbeitslosengeld I. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass die beiden Leistungen sozialrechtlich nichts miteinander zu tun haben. Arbeitslosengeld I ist eine Leistung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, während Hartz IV über Steuern finanziert wird.
Ein weiterer Begriff, den man kennen sollte, ist Sozialgeld. Dieses erhalten Mitglieder einer sog. Bedarfsgemeinschaft, die Hartz IV beziehen aber selbst nicht erwerbsfähig oder unter 15 Jahre alt sind.
Das neue Bürgergeld soll kommen
Und jetzt soll ab Januar 2023 das neue Bürgergeld kommen – auch Grundeinkommen oder Grundsicherung genannt. So hat es das Bundeskabinett am 14. September 2022 beschlossen. Es soll Hartz IV und das Sozialgeld ersetzen. Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Regierung damit ein Signal für Sicherheit und mehr Respekt setzen.
Zum Verständnis: beim Bürgergeld handelt sich nicht um ein bedingungsloses Bürgergeld oder bedingungsloses Grundeinkommen, sondern um eine Zahlung, an die bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Die wichtigste Bedingung dabei ist die Bedürftigkeit.
Über die Jahre hat Hartz IV einen Beigeschmack bekommen
Das Bürgergeld soll deren Empfänger zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen und die Würde achten. Es soll der nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt dienen, unkompliziert und auch digital zugänglich sein. Wer bisher Anspruch auf Hartz IV oder Sozialgeld hatte, wird künftig einen Anspruch auf Bürgergeld haben.
So weit, so gut.
Jedoch entwickelt sich gerade eine heftige Diskussion zwischen der Ampel-Regierung und der Opposition – und auch der Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik.
Kritik am Bürgergeld
Die Union droht mit der Blockade des neuen Gesetzes im Bundesrat. Sie stört sich insbesondere an der Höhe des Schonvermögens. Demnach sollen Singles in den ersten beiden Jahren bis zu 60.000 Euro an Ersparnissen behalten dürfen, jede weitere Person im Haushalt jeweils weitere 30.000 Euro.
Das neue Bürgergeld sieht weiter vor, dass in den ersten zwei Jahren des Bezugs die Leistungsempfänger*innen in jedem Fall in ihren Wohnungen wohnen bleiben dürfen. Die Wohnungskosten werden also in den ersten zwei Jahren nicht danach beurteilt, ob sie angemessen sind.
Aus der Union kommt auch folgende Kritik: „Das Bürgergeld ist eine Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern„, sagte die Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.
SPD-Chef Lars Klingbeil wiederum wirft der Union vor, in der Debatte mit falschen Zahlen zu hantieren, und spricht sogar von Fake News.
Bürgergeld – mehr Kosten für Steuerzahler
Laut FAZ Und Handelsblatt kritisiert auch der Bundesrechnungshof die hohen Vermögensfreigrenzen im geplanten Bürgergeld und die damit zusätzlich entstehenden Kosten für die Steuerzahler.
Nach dem Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Heil, entstehen durch das Bürgergeld im kommenden Jahr somit Mehrkosten in Höhe von 4,8 Milliarden Euro, wovon 4,2 Milliarden Euro auf den Bund entfallen. Bis 2026 könnten die Kosten auf 5,9 Milliarden Euro anwachsen.
Die Prüfer des Rechnungshofs warnten außerdem vor massiven Fehlanreizen, die zu Missbrauch führen könnten. Man kritisiert zudem, dass der Gesetzesentwurf von Antragsstellern keine Auflistung der vorhandenen Vermögenswerte einfordert.
Nach der aufkommenden Kritik soll es jetzt weitere Änderungen am geplanten Bürgergeld geben. Leistungsempfänger könnten nun doch stärker sanktioniert werden als bisher geplant, lese ich in der Wirtschaftswoche.
Bürgergeld Änderungen
Es soll unter anderem bei der geplanten zweijährigen Karenzzeit für Bürgergeld Empfänger einige Verschärfungen geben. Geplant ist etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen. Zuvor war kein Limit für Heizkostenübernahme vorgesehen.
Der Journalist Hugo Müller-Vogg kommentiert es im Focus so: „Das bedeutet: Mehr Geld für mehr Bezieher dieser Transferleistung, viel höhere Freibeträge beim sogenannten Schonvermögen, Mietübernahme selbst bei teuren Wohnungen, faktischer neunmonatiger Verzicht auf Sanktionen, wenn ein Leistungsempfänger partout weder arbeiten noch sich weiterbilden will… Mit allen diesen Maßnahmen wird der Abstand zwischen dem Netto von Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen und den Bezügen der Bürgergeldempfänger noch geringer als bisher. Da wird mancher versucht sein, das Arbeiten einzustellen, statt wegen ein paar Euro mehr 40 Stunden zu schuften.“
Sozialstaat Deutschland?
Auf Twitter finde ich folgende Kommentare nach einer Talkshow bei Maybritt Illner:
Carsten Linnemann @CDU : Was ist das für ein Gesellschaftsbild. 40 Stunden arbeiten und dann gehe ich noch aufstocken, um das gleiche zu bekommen, wie jemand der nicht arbeitet. #Buergergeld #illner
— maybrit illner (@maybritillner) November 3, 2022
Ich gehe davon aus, dass @maybritillner nun umgehend alle Verträge kündigt und #Linnemann sein Mandat niederlegt, und beide stattdessen #Buergergeld
beziehen.Was ich persönlich ja auch sehr begrüße.
Dann schüren sie wenigstens nicht mehr permanent Sozialneid im TV..#Illner https://t.co/HmXaNzbsWO— ⭐ (@kotzenderStern) November 5, 2022
Soweit mein Blick in die Medien. Dort geht die Diskussion heftig weiter und wir dürfen gespannt sein, welche Änderungen es geben wird und ob die deutschen Bürger*innen mit dem neuen Bürgergeld zufrieden sind?
Ich persönlich bin skeptisch. Mein Fazit: Der Weg zum Sozialstaat Deutschland ist steinig und noch weit. Auch das neue geplante Bürgergeld ist wieder nur Stückwerk und keine wirkliche Reform der Sozialleistungen des deutschen Staates. Es gibt noch viel zu tun in Deutschland ,und die immer wiederkehrenden Krisen verzerren oft den Blick der Politik auf das Wesentliche. Aber es gibt auch kleine Lichtblicke für mich. So finde ich eine Studie des Bundesfinanzministeriums zum Bedingungslosen Grundeinkommen, die aufgrund einer Petition der deutschen Bürger*innen zustande gekommen ist. Es gibt mittlerweile schon viele Modelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen und auch dieses Thema zeigt mir, dass Engagement sich lohnt, um neue Ideen anzustoßen.
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Und zum Thema Fake News möchte ich Dir noch diesen Beitrag ans Herz legen:
Foto: Statista und Alan Frijns (pixabay)