Ein Monat mit einem Rentner
Eine ohfamoose Kolumne – einmal im Monat lassen wir Menschen zu Wort kommen, die uns auffallen, weil sie spannend Alltagsherausforderungen beschreiben. Wir beginnen mit Claudia Arntz, die beschreibt, wie sie das Renter-Dasein ihres Mannes erlebt, und wie es zwei bewältigen, die doch etwas unterschiedlich ticken… Ein Monat mit einem Rentner, was da alles passieren kann.
Da freut man sich, wenn man Jahre lang gewartet hat, um einmal drei Wochen Urlaub am Stück zu haben. Urlaub, in dem der eigene Mann nicht die Hälfte braucht, um ‚runter‘ zu kommen. Und, Hurra, da ist er, der Rentner. Früher als erwartet, was schön ist, denn wir sind noch unter 60 und müssen in diesem Alter die Bahn noch selber zahlen. Ein Luxus…
Wenn… Ja, wenn da nicht in den ersten neun Tagen ALLES wahr gemacht werden soll, was er in 35 Jahren Arbeitsleben schon immer mal machen wollte, anschieben und organisieren würde. Nun ist ein Monat um.
Mein Fazit, wie oft im Leben: Einer leidet immer … 😀
Mein Mann hatte schon immer die Tendenz, ein wenig „Pappa ante Portas“ zu sein, kauft er doch gerne und viel ein. In den letzten Jahren ging es viel besser, weil ich immer bei jedem Umzug geschimpft habe und mich weigerte, die ganzen Duschgels, Zahnpastatuben, Dosenbohnen und Sanitärartikel das dritte Mal einzupacken. Wir ziehen oft um…
![](https://www.ohfamoos.com/wp-content/uploads/2023/03/Claudia-Arntz.jpeg)
Claudia Arntz mit ihren Glasanfängen, mittlerweile graut ihr vor dem Umzug mit den tonnenschweren Fundstücken😉😀
Aber das ist nicht alles. Auch haben wir Schränke voller Spirituosen – obwohl wir nicht viel trinken und nun noch weniger, denn es muss ja ein neuer, besserer, gesünderer Lebensstil her. Mein Vorratsschrank ist jedenfalls so voll, dass ich ihn fragen muss, wo was ist, denn sonst werfe ich… Dosen, Gläser und Tomatenmarkdosen um mich.
Ich merke, ich sollte besser unter einem Pseudonym schreiben, obwohl er „so etwas“ nicht liest. Denn er sitzt da und hört Podcasts, guckt Markus Lanz und ähnliches in drei Sprachen. Er lernt Spanisch, wollte er immer mal machen, und murmelt mit Kopfhörern auf dem Sofa Vokabeln vor sich her. Ich habe schon ein wenig Angst, in ein paar Tagen nach Fuerteventura zu fliegen. Denn danach kommt dann Italienisch… und dann „mal schauen“, wie er sagt.
Am ersten Tag seines Renter-Daseins ist er in ein Gym eingetreten und macht dort auch Pilates. Mein Mann macht Pilates und natürlich ALLE anderen Kurse im Angebot dort!!!! Er hat schon 5 kg abgenommen und ist ein sehr schlanker Typ… also vorher schon… nun hängt ihm die Jeans hinten „vonne Futt“.
Sein Haar ist oben schütter, hat er es irgendwann abrasiert, nun trägt er Haar, wartet darauf, dass die kahle Stelle mit einem Zopf kaschiert wird. Bis dahin lenkt der Bart ab vom wilden Wachstum.
Aber das ist nicht das, was mich nervt.
Organisieren, planen bis zum Erbrechen – das ist, was mich nervt. Er plant den Weg zum Bäcker, schaut, ob es dort voll sein könnte; oder ob Stau ist, wenn wir drei Kilometer weiterfahren. Man fährt auch immer früh los, ob zum Flughafen, zur Fähre oder zum Zug, denn es könnte ja zu spät werden. Dann sitzt man dort halt eben 50 Minuten, bis es dann wirklich Zeit ist einzusteigen.
Ich werde gleich mitorganisiert, meint er es doch gut und ich gebe zu, ich bin so total das Gegenteil von Planerin und Organisations-Karren. Aber ich weiß gar nicht, wie ich es so lange geschafft habe zu überleben: Ohne Mann, mit zwei Kindern und Hausumbau. Ich bin doch schon groß.
Wie schön „ohne Plan“ ist, zeigte sich, als wir mal wieder in Deutschland waren und uns bei Freunden anmeldeten, ganz spontan, weil wir diese lange nicht gesehen haben. Zufällig, das wusste weder er noch ich, war es der 60. Geburtstag des Freundes. Er hat sich SO gefreut und mein Mann auch… Dinge, die er sich selbst wegnimmt mit seinem ewigen Plan.
Dafür hat er ja mich, den Chaoskopp.
Wir bauen gerade… denkt man sich, das muss reichen, um beschäftigt zu sein. Aber das macht er nebenher. Ich dagegen bin dankbar, dass er den verschiedenen Gewerksleuten alles haarklein erklärt, leider auch mir noch einmal, aber dann ist der Druck schon raus. Er war ein Marketing-Manager vom Feinsten, viel Erfolg, viel Stress, viel, viel Zeit weg von zuhause. Nehmen Unternehmen auch noch 60-Jährige?
Ich möchte betonen, dies ist alles mit einem Augenzwinkern aufgeschrieben. Ich liebe meinen Mann!!!
Ich könnte wahrscheinlich das Gleiche über mich schreiben, nur mit mehr Chaos. Beides ist anstrengend, wir finden den Tritt noch, wenn die drei Weltreisen, 500 Städtereisen und dazugehörigen Sprachen abgehakt sind.
Bis dahin kann unser Sohn bei uns ‚einkaufen‘, während wir weg sind – es hat sich ja genug angesammelt 🙂
Die deutsche Wahlheimat von Gastautorin Claudia Arntz, geboren in Düsseldorf, heißt Hamburg. Dort sind auch ihre Jungs geboren. Ihr Naturell beschreibt sie „eher“ als Helau, findet mittlerweile jedoch die etwas bedecktere „Moin-Nordlichtmentalität“ schöner. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie in England, nun schon das dritte Mal. Dazwischen lagen Wien und Holland. Im Schnitt ziehen sie alle zwei Jahre um, womit aber „bald endlich mal Schluss sein sollte“. Einmal müssen sie aber noch, sagt sie, „auf unsere Insel in der Themse“.
Das Motto von Claudia Arntz (Jahrgang 1964) ist: Sag niemals nie! Und auch wenn bald ihre 60 anklopft, empfindet sie das Leben als zu bunt, um in den Ruhestand abzugleiten. „Ich habe immer viele Ideen, könnte ständig Neues machen, aber meine Kunst mit Seeglas und Driftwood ist mein Steckenpferd. Ich liebe Bewegung und Tiere, meine Freunde und natürlich meine Familie“
Fotos: privat
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