Sex im Klassenzimmer
Elternabend. Abende, die meist nicht die spannensten sind. Wenn aber Wörter wie Blow Job oder bumsen am Whiteboard prangen, haben Lehrer*innen die volle Aufmerksamkeit. Von Kindern (im Unterricht) wie von Eltern, die tradionell etwa zweimal im Jahr abends in die Schule gerufen werden. Eltern von Schüler*innen der 7. Klasse lernen dann: Sexualkunde steht auf dem Stundenplan. Elke fragt sich, wie man in Internet-Zeiten Kinder gut aufklärt – und warum sich Eltern nicht zurücklehnen sollten.
Als der Lehrer zum Thema Sexualkunde kommt, wird es still beim Elternabend. Auch ich erinnere mich: „Ach ja, stimmt, dieses Jahr werden die Kinder ja auch in der Schule aufgeklärt.“ Und denke zudem: Endlich. Gerade in Zeiten von Social Media kommt Sexualkunde an der Schule in Klasse 7 eher spät.
Und ich frage mich, wenn ich die Gesichter einiger Eltern lese: Wie viele Mütter – meistens sind ja selbst abends sie da, nicht die Väter – werden jetzt denken:
Bravo, wieder ein To-Do weniger auf ihrer Liste!
Eltern zu sein in dieser Welt – ich komme nicht auf die Idee zu sagen, der „Job“ sei heute schwieriger als früher. Jede Zeit hat ihre Komplexität. Aber Sexualkunde mit und ohne Internet – das sind zwei Paar Schuhe. Und ich frage mich, woher genau haben Kinder Worte wie Blow Job und bumsen. Vermutlich auch aus dem Netz, und das ziemlich ungefiltert, denn die Sexindustrie ist riesig und der Weg hin zu Begriffen wie Porno oder Prostitution: kurz.
Mit Sicherheit kann gelten: Heute haben Kinder durch das Internet viel mehr Quellen zur Verfügung, wo sie „aufgeklärt“ werden. Ob sie wollen oder nicht, ob sie es verstehen oder nicht. Und leider sind wir dann auch schnell wieder bei einem meiner Lieblingsthemen: Den Fake News – ein Thema, das ich hier nicht unerwähnt lassen, aber nicht weiter beackern will. Wer hier weitere Infos wünscht, lese gern diesen Artikel von Sonja über Fake News. Wie ich überhaupt gern Sonja an dieser Stelle danke: Hat sie doch als Mutter von gleich vier Jungs sehr viel Ahnung vom Thema Aufklärung.
Es gibt noch Lehrer, die Sexualkunde gern unterrichten
Kommen dann Scham oder mangelnde eigene Aufklärung hinzu, steht das Thema Sex erst recht fast merk-würdig im Raum, selbst beim Elternabend! Und es wirkt entlastend für die Atmosphäre im Klassenzimmer, wenn Lehrer anfügen, Sexualkunde wirklich gerne zu unterrichten. Mehr noch, es mache sogar Spaß und die Kinder seien total aufmerksam. Dann scheint der Match perfekt:
Kundige Lehrer, aufgeklärte Teenies.
Und was ist mit den Eltern? Warten sie allen Ernstes auf Aufklärung im Klassenzimmer und überlassen Sexualkunde bis dahin – ja, wem eigentlich?
Für mich ist klar: die Themen Sex, Geschlechtsverkehr und (hoffentlich) auch Liebe haben ihren festen Platz im Unterricht. Genauso wichtig jedoch finde ich es darüberhinaus, dass Eltern mitreden und ihre Kinder nicht unaufgeklärt lassen. Würde es sich wie selbstverständlich als EIN Thema von vielen in die Erziehung einfügen, wäre alles gut. Aber wir selbst machen einen Popanz draus – und blicken verschämt zur Seite, wenn es Fragen dazu gibt!
Sexualkunde – eine Tabelle gibt Aufschluss
Denn ist es nicht genauso: Wir reden mit den Jugendlichen über Darmerkrankungen und Karies, über Digitalisierung und (hoffentlich) Fake News, wir versuchen ihnen zu erklären, wer bei uns in der Regierung sitzt (oder sitzen sollte) und fachsimpeln mit ihnen über Sport, egal welche Sportart.
Und beim Sex tauchen wir Eltern ab?
Zurück zum Whiteboard. Die Idee des Lehrers gefällt mir: Er teilt die Wortmeldungen – die Aufgabe war, alle Wörter zu nennen, die den Teenies einfallen zum Thema Sexualität – in drei Kategorien ein: Wörter, die das Thema nur ansatzweise schneiden, Fachbegriffe und „No-Gos“, also Wörter, die nicht mehr benutzt werden dürfen. So nähert er sich einem komplexen Thema, um dann später für die Aufklärung die wissenschaftlich konnotierten Wörter zu nutzen.
Denn Aufklärung tut Not: Dass Achtklässlerinnen schwanger werden, ist leider immer noch Fakt. Ich spreche da übrigens aus Erfahrung – auch ich bin ein Kind junger Eltern, musste meine Mutter damals doch schwanger die Schule verlassen.

Aus dem Biologiebuch: Markl Biologie 2, Ernst Klett Verlag
Es wäre also wichtig, müßten Lehrer*innen nicht bei Adam & Eva anfangen. Ist Eltern das bewusst oder ist es ihnen ganz recht, wenn die Schule (auf die sie ja ohnehin gern schimpfen) ihnen das abnimmt?
Ich mache eine andere Rechnung auf und behaupte: Könnten Lehrer*innen auf bereits aufgeklärte Kinder treffen, wären ganz andere Themen on top möglich. Wäre es nicht wunderbar, würden – neben Sexualität – auch Themen wie Liebe, Zärtlichkeit, Empathie oder auch Lebenslust eingehender diskutiert? Und auch das:
Wie komme ich aus einer Krise wieder gut raus?
Ich bin sicher, dass gute Lehrer*innen diese Themen nicht aussparen, aber es ist ja immer die Tiefe, die uns am meisten bewegt: Themen, die nur am Rande angekratzt werden, vergessen wir schnell.
Sexualkunde ist wichtig – in der Schule und zuhause
Deshalb, und das passt gut zu Ohfamoos, plädiere ich dafür: Eltern, es ist Eure Pflicht, zuhause mit der Aufklärung anzufangen. Lasst es in der Schule vertiefen, aber kümmert Euch selbst. Es ist auch hier wie bei so vielen Themen: Wenn wir uns die Mühe gern machen, wird was draus. Erziehungsthemen schleifen lassen geht gerade im Internetzeitalter nicht mehr.
Die Bildungsexpertin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Felise Maenning-Fortmann, sagte mir kürzlich Folgendes: Sie habe jetzt bereits zum wiederholten Male gehört, was sich Schüler*innen wünschen, wenn es um guten Schulunterricht geht. Natürlich wüssten die jungen Leute, was wichtig ist (Digitalisierung etc.), aber sie wissen offenbar eben auch: Viel zu kurz kommt in der Schule, wie man sich selbst hilft, wie man Krisen meistert und wie es gelingt, sich auf ein gutes Leben vorzubereiten, dass Verstand UND Gefühl vereint.
Ich glaube, ein guter Sexualkundeunterricht, vorbereitet im Elternhaus, und ein empathischer Umgang miteinander ist dafür eine gute Basis. Und wer weitere Infos zum Thema Sexualkunde an Schulen sucht, wird hier fündig!
Fotos: Canva, Elke Tonscheidt und Pixabay