Birkenau um einen kleinen Schatz bereichert
Ein Mann gewinnt einen Offenen Bücherschrank im Wert von mehreren Tausend Euro und schenkt ihn seiner Gemeinde – wo es das gibt? In Birkenau. Einer kleinen hessischen Gemeinde und deren Bürgermeister sagt dazu: „Diese Art der Einstellung ist genau die richtige Antwort auf eine Zeit, in der unsere Werte mehr gefordert sind denn je.“ Was Bürgermeister Milan Mapplassary weiter dazu denkt, hat er Elke im Interview berichtet.
Zur Erinnerung: Der 1000. BOKX Bücherschrank wurde von Urbanlife e.G. gestiftet und in Mannheim auf der BUGA23 bundesweit verlost. Die Einweihung dieses Schrankes fand am 11. Juli 2024 statt – und viele haben mitgewirkt.
Flankierend dazu ein Interview mit Bürgermeister Milan Mapplassary, die Fragen stellte Elke Tonscheidt:
Herr Mapplassary, Birkenau ist eine Gemeinde, die auch aufgrund Ihres Wirkens viel vorhat. Jetzt kommt ein Offener BOKX-Bücherschrank ins Gemeindeleben. Was versprechen Sie sich davon?
Milan Mapplassary: Das Besondere dieses neuen Bücherschranks ist seine zentrale Positionierung. Denn tatsächlich gibt es in Birkenau einen offenen Bücherschrank im Ortsteil Nieder-Liebersbach und ein weiterer Bücherschrank steht Kundinnen und Kunden eines Lebensmittelmarktes zur Verfügung.

Michael Schnellbach, Chef der Buga23, hatte im Herbst 2023 das Los für Birkenau gezogen. Rechts neben ihm Ines Jacob (Stiftung Neuer Raum), Bücherschrank-Designer Hans-Jürgen Greve und Bürgermeister Milan Mapplassary (ganz rechts im Bild).
Unser neuer Bücherschrank befindet sich gut sichtbar auf dem Platz vor dem Birkenauer Rathaus. Die Idee dahinter ist, einen Treffpunkt zu schaffen, der dem Einzelnen neues Wissen und Erfahrungen näherbringt, der aber vor allem eine besondere Möglichkeit ist, mit anderen Menschen in den Austausch zu kommen. Als ländlich geprägte und naturverbunden Kommune spielt auch der nachhaltige Aspekt eine wichtige Rolle. Mit dem Schrank bleiben auch alte Bücher im Nutzungskreislauf erhalten.
Als Sie davon hörten, dass Birkenau einen solchen Bücherschrank bekommen wird aufgrund der Verlosung auf der BUGA, was war Ihr 1. Gedanke?
Kim Klein, der Gewinner der Verlosung bei der BUGA, hatte mich kontaktiert und mir von diesem fantastischen Gewinn erzählt. Er habe sich Gedanken gemacht und kam zu dem Entschluss, diesen Bücherschrank seiner Gemeinde zu schenken. Ich habe es als äußerst vorbildlich empfunden, dass ein Einzelner hier der Allgemeinheit etwas Gutes tun will, ohne den Gedanken daran, dass er etwas dafür erwartet. Diese Art der Einstellung ist genau die richtige Antwort auf eine Zeit, in der unsere Werte mehr gefordert sind denn je. Ich bin Herrn Klein sehr dankbar dafür, dass er die Gemeinde Birkenau um einen kleinen Schatz bereichert hat.

Einweihungsfeier und Kinderprogramm: Eine Pädagogin aus dem Kinderhaus Bärenstark spielt die Elefanten-Handpuppe „Lilo Lausch“.
Lesen Sie selbst gern und auch ihren Kindern vor – und wenn ja, bitte ausführen, warum Sie beides wichtig finden, vielleicht auch jeweils ein Beispielbuch nennen so möglich.
Vorgelesen zu bekommen und Bücher selbst zu erkunden sind nach meiner Auffassung elementare Bestandteile für Entwicklung eines Menschen. Ein Buch transportiert nicht nur Wissen, Gefühle oder Erfahrungen, sondern lehrt uns über uns und über uns hinaus zu denken. „Der Alchemist“ war für mich ein solches Buch. Das Vorlesen für meine Kinder ist ein fester Bestandteil in unserem Familienalltag. Hier ist momentan „Das Neinhorn und die Schlangeweile“ angesagt.
Lesen Sie auch selbst öffentlich vor?
Ja, ich nutze auch gerne mein Amt, dieses Thema in den Fokus zu setzen, indem ich mich beispielsweise an Vorlese-Aktionen unserer ortsansässigen Schule beteilige und dann auch Schülerinnen und Schülern vorlese. Ebenso war es mir wichtig, zur Einweihung des Bücherschranks eine Kindergartengruppe eingeladen zu haben.
- Bürgermeister Mapplassary stellt eine Chronik über Birkenau ein.
- Bernhard Föllmer von der Bürgerstiftung Birkenau.
Gerade in Köln, wo die Bücherschränke gebaut werden, werden die (mittlerweile 62) Schränke nicht nur rege genutzt, sondern es finden auch diverse Aktivitäten, kulturelle Events am Bücherschrank statt. Welchen Wunsch haben Sie, wie der Bücherschrank – neben dem Tauschen von Büchern – genutzt werden könnte?
Wie bereits erwähnt, sehen wir auch das vielfältige Potential, das so ein Schrank in sich birgt. Die Auswahl des Platzes soll es ebenfalls ermöglichen, an dieser Stelle kleine Veranstaltungen – wie Lesungen oder Kindergartenausflüge – durchzuführen. Mein Wunsch ist es, dass wir hier einen Ort geschaffen haben, der von der Dynamik seiner Umgebung lebt.
Hatten Sie in der Vergangenheit schon Kontakt mit dieser Art Bücherschränke im Öffentlichen Raum? Wenn ja, was haben Sie erlebt, wie empfinden Sie die Idee, so etwas im Öffentlichen Raum anzubieten?
Da wir bereits zwei Bücherschränke in unserer Gemeinde haben, ist mir die Idee nicht neu und sie ist absolut unterstützenswert. Es ist immer schön zu sehen, wenn Menschen dort verweilen und nach einem möglichen Buch stöbern. Oft ist es so, dass man dort zufällig Bekannte trifft und dann gemeinsam die Bücherauswahl betrachtet. Daher sind ein solches oder ähnliche Angebote im Öffentlichen Raum wichtiger Bestandteil für das Gefühl des Miteinanders.

Bürgermeister Mapplassary und Stadtplaner Greve, der die BOKX-Bücherschränke seit 17 Jahren designt.
Der Stadtplaner und Designer der Offenen BOKX-Bücherschranke, Herr Greve, sagt gern über sein Wirken: „Wir stellen das Wohnzimmer auf die Straße“, möchte mit seinen vielfältigen Aktivitäten auch dem Thema Vereinsamung entgegenwirken. Sehen Sie ebenfalls das Potential, durch solche Stadtmöbel den Bürger*innen mehr als „nur“ etwas zum Lesen zu bieten?
Absolut. Herr Greve setzt an dieser Stelle ein Zeichen gegen ein Problem mit einer großen gesellschaftlichen Tragweite. Gerade während und auch nach der Corona-Pandemie ist das Thema „Vereinsamung“ deutlicher, weil sichtbarer geworden. Menschen, die sich isolieren, können sich nicht in einer Gemeinde einbringen. Doch gerade in einer kleinen Gemeinde wie unserer ist das der Motor für ein funktionierendes Gemeindeleben. Wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen im Austausch bleiben
Vielen Dank für Ihre Antworten, Herr Mapplassary!
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Fotos: Ines Jacob