Die Festungen von Jaisalmer und Jodhpur
Wer Indien kennenlernen möchte, der sollte sich unbedingt die Tagebuchserie von Volker Raddatz anschauen. „Einmal Indien und Retour“ heißt die Serie, die es exklusiv auf ohfamoos zu lesen gibt. In Etappen berichten wir über das monatelange Abenteuer der vier Berliner, deren Reiseroute von Berlin über die Türkei, den Iran und Pakistan nach Indien führte. Heute geht es zu den Festungen von Jaisalmer und Jodhpur. Alle vorhergehenden Etappen findest Du in unserer Rubrik: ohfamoose Reisen.
Jaisalmer, 12. Dezember 2004
Wir fahren 6 Stunden lang durch Halbwüste, grün-gelbe Rapsfelder, ausgedehnte Bewässerungsanlagen, kleine Siedlungen mit runden Hütten und Ziegenherden – dann wieder Wüste, soweit das Auge schaut, bis wir in Jaisalmer ankommen, einer Stadt, die von einer Festung überragt wird, die durch 99 Bastionen gesichert ist. Der frühere Wohlstand der Stadt zeigt sich, wie anderswo, in den berühmten Wohnhäusern der reichen Großfamilien, den havelis. Die Reichen machten aus ihren Häusern eine befestigte Residenz, die mit Säulen, Balkonen, Fenstern, Arkaden, Alkoven, Nischen und Wandmalereien verziert wurde. Häufig liegen die Terrassen und vorspringenden Balkone vor Säulengängen, die eingefasst sind von durchbrochenen Steinblenden. Sie halten die Sonne ab, lassen aber den kühlenden Wind hindurch. Um diese Wirkung zu verstärken, wurden früher feuchte Matten und duftende Wurzeln vor die Fenster gehängt.
- Chattris sind kleine verzierte Pavillons aus Sandstein mit Kuppeln. Es handelt sich um Grabstellen der Bhatti-Rajputen.
Jaisalmer 13. Dezember 2004
Am Vormittag besichtigen wir die Festung der Wüstenstadt Jaisalmer. Sie heißt Sonar Qila, wurde im 12. Jh. – also vor 900 Jahren – aus gelbem Sandstein erbaut und macht einen bemerkenswert guten Eindruck. Die Außenmauern sind 5 km lang und 2-3 m dick. Die Burg liegt 76 m hoch über der Stadt, und die Bauzeit betrug 7 Jahre. Heute leben noch ca. 3000 Menschen innerhalb der Festung, deren kulturelles Zentrum das Palast-Museum ist (früher Sitz des Maharadschas, später Eigentum des Premierministers). Eindrucksvoll sind die vielen, z.T. repräsentativen Gemächer, der aufwendige Prunk und der Turban als Statussymbol, dessen Länge bis zu 18 m reicht und der nur in existentieller Not Herrscher zu Füßen gelegt wird. Die Stadt selbst enthält eine ganze Reihe gut erhaltener havelis, von denen wir ein privates ohne Eintrittsgeld bis zur Dachterrasse ansehen dürfen und dadurch einen herrlichen Rundblick genießen.
Abends fahren wir 45 km hinein in die Wüste Thar und vermeiden erfolgreich die zahlreichen, z.T. aufdringlichen Kamelritt-Angebote, die mit dem Erlebnis des Sonnenuntergangs oft zwingend (besser: erpresserisch) verbunden sind. Wir biegen nämlich von der Hauptstraße in Richtung Barna (kleines Dorf) ab und verbringen zwei wunderschöne Stunden inmitten einer kleinen Dünen-Landschaft, ganz für uns allein, allenfalls ergänzt durch eine große Schaf- und Ziegenherde mit ihrem Hirten, der uns freundlich zuwinkt.
Jodhpur, 14. Dezember 2004
Dünen, Rapsfelder, Bewässerungsanlagen, feuchter Boden, Ackerfurchen – diese Beobachtungen müssen jeden erstaunen, der sich hier, im westlichen Rajasthan, eine Wüstenlandschaft mit Kakteen, Steinen und vertrockneten Pflanzen vorgestellt hat. „Die Wüste lebt“ – dieser Filmtitel gilt sicher, Menschen inklusive, für jenen Teil der Wüste Thar, den wir bisher bereist haben.
Plötzlich häufen sich Militärfahrzeuge, zunächst Jeeps, dann Lastwagen mit Überbreite, schließlich sogar Panzer, die links und rechts der Fernstraße den Staub aufwirbeln – offenbar ein Manöver der indischen Armee.
Kurz vor Erreichen von Jodhpur besuchen wir die ehemalige Hauptstadt Mandore, in deren einstigem Zentrum ein schöner großer Park liegt, versehen mit Tempeln, chattris, herrlichen Pflanzen, u.a. prächtigen Hibiscus und Bougainvillea sowie einem uralten abgestorbenen Mangobaum. Affen überall: große, kräftige Exemplare mit langen Schwänzen.
- Beim Abendessen marschiert ein farbenprächtiger Hochzeitszug am Restaurant vorbei.
Jodhpur, 15. Dezember 2004
Bis in den frühen Nachmittag hinein besichtigen wir die Festung Jodhpur, nachdem wir vorher das Jaswant Thada besucht haben, einen Denkmal-Komplex aus Marmor, das der Maharadscha Sardar Singh 1895-1911 zu Ehren seines Vaters, Maharadscha Jaswant Singh als Taj Mahal of Marwar erbauen ließ. Es handelt sich um einen Bestattungskomplex, zu dem ein See für rituelle Bäder gehört (Marwar = Land der Toten)
Die Festung von Jodhpur
Die Festung von Jodhpur heißt Meherangarh, ist im Besitz des Maharadschas von Jodhpur und steht auf einem 125-m-hohen Hügel. 1459 erbaut ist sie niemals militärisch eingenommen worden. Das erste Tor ist noch immer durch Kanonenkugeln verunstaltet. Um zu verhindern, dass Kriegs-Elefanten als Rammböcke benutzt werden, liegen die Tore im kurzen rechten Winkel zur Einfallstraße und sind außerdem an ihren Stirnseiten mit spitzen Eisendornen versehen. An einem anderen Tor finden sich 15 Handflächenabdrucke als Hinweis darauf, dass sich einige Witwen des Maharadschas Man Singh in den damals üblichen Verbrennungstod (Sati) stürzten, als sein Leichnam 1843 eingeäschert wurde. Innerhalb des Forts gibt es eine Reihe von Innenhöfen und Palästen. Die Zimmerfluchten des Palastes tragen beziehungsreiche Namen: Sukh Mahal (Freudenpalast) und Phrol Mahal (Blumenpalast). In ihnen befindet sich eine Sammlung von Gegenständen aus dem täglichen Leben eines indischen Königshauses und eine Sammlung prunkvoller Elefantensattel, Frauen- Sänften (Palenquins), Waffen, Möbel und Kinderwiegen. Der Blick von den äußeren Zinnen auf die „blaue Stadt“ ist großartig. Übrigens bezeichnet blau (Indigo) traditionell das Heim eines Brahmanen. Außerdem hilft die Farbe bei der Mückenabwehr.
• Kleine Farbenlehre: rot = Hochzeit, gelb = heilig, weiß = Trauer
Die nächste Etappe führt uns zum Mount Abu.
Wie alles begann, das kannst Du hier nachlesen.