Lässig auf zwei Rädern durch Kopenhagen
Wir mögen ja gern auch in Hauptstädte reisen, auf ohfamoos findet Ihr Stories über Sydney, Shanghai oder Wien, um nur drei zu nennen. Ich habe mich jetzt in Kopenhagen vom dänischen Flair verzaubern lassen. Und was die Stadt von allen großen Städten, die ich kenne, total unterscheidet: Fast jede/r fährt Rad! Allein die Pendler: Mehr als ein Drittel nutzt das Rad, um zur Arbeit zu kommen. In welcher Hauptstadt ist das schon so? Ein sehr lässiger Charakter drückt sich da aus!
Unser Kurztrip war wenig vorbereitet, ganz bewusst. Wir wollten uns treiben lassen. Im Flieger realisiere ich: Kopenhagen ist das „Dorado für unmotorisierte Zweiräder“. Wie sehr es die Lebensform, ja die Stadtkultur zu prägen scheint, erfahre ich schon bald. Denn mein Mann überrascht mich mit dem Vorschlag, die Stadt mit Rädern zu erkunden. Wir mieten sie gleich im Hotel – ein Service, den hier fast alle bieten. Oft nicht richtig chic, aber brauchbar und praktisch, wie das Foto zeigt. Und manche sind sogar mit iPad ausgestattet.
Als Erstes fahren wir ans Wasser. Was einfach ist, denn Kopenhagen hat gleich mehrere Häfen, die durch diverse Kanäle verbunden sind.
Wir hätten den ganzen Tag gebraucht, um allein das enorm weitläufige Kopenhagener Hafengebiet zu erkunden – überall locken schöne Ecken mit Cafes und Restaurants.
Trubeliger, malerischer Nyhavn mit vielen Events
Die meisten Touris zieht es in den Nyhavn, der in einem ehemaligen Rotlichtviertel entstanden ist. Malerisch, wie allein die Häuserfronten in allen Farben leuchten! Wer Trubel und Events mitten in der Stadt mag, ist hier genau richtig. Hier starten auch viele Rundfahrten per Boot – man kann sich die meisten Sehenswürdigkeiten also auch direkt vom Wasser aus anschauen.
Wir radeln weiter – und immer wieder traue ich meinen Augen nicht: So viele Fahrradwege, viele davon so breit wie eine 3. Autospur! Am Ende einer Brücke kommt mir plötzlich ein Baby-Jogger – die mit dem Laufkinderwagen – in die Quere. Oder ich ihm, keine Ahnung. Auf welcher Spur bin ich jetzt eigentlich? Alle sind so riesig, nicht wie bei uns, wo man sich rechts ran quetschen muss, immer auf der Hut, dass ja keine Autotür aufgeht…
„Sorry“, rufe ich ihm zu, immer noch sortierend. Er bleibt völlig entspannt: „No problem at all!“ Hier in Kopenhagen, ruft er fröhlich, sind doch alle mit dem Rad unterwegs.
Freundliches Winken!
Eine feine Lebensform drückt sich hier aus, bemerke ich schnell. Fast geräuschlos sausen so viele durch die Stadt. Die wenigsten klingeln, man hat sich einander angepasst, so dass die Autos meist ohne das bei uns doch oft nervtötende Gehupe auskommen. Auch zuhause denke ich gern an das friedliche Miteinander auf den Straßen von Kopenhagen zurück.
Merian.de beschreibt die Fahrradlust der Dänen so:
„Denn für die Dänen hat Radfahren auch viel mit Lebensqualität zu tun. Klar geht es auch für sie in erster Linie darum, ihr Ziel zu erreichen. Aber eben ganz in Ruhe, gesittet und ohne große Streitereien mit Taxifahrern oder anderen Verkehrsteilnehmern – übrigens noch etwas, das uns die Dänen in Sachen Fahrradkultur voraus haben.“
Die offiziellen Website von Dänemark bestätigt mein Gefühl, dass jeder Zweite mit dem Rad unterwegs zu sein scheint. Dort werden folgende Fakten gelistet:
- 50% aller Kopenhagener fahren mit dem Fahrrad zur Arbeit oder Ausbildung
- 35% von allen, die in Kopenhagen arbeiten – mitgerechnet alle, die in Vororten und Nachbarstädten wohnen aber in Kopenhagen arbeiten – fahren mit dem Rad zur Arbeit.
- 25% aller Familien in Kopenhagen mit zwei Kindern haben ein Lastenfahrrad, mit dem sie die Kinder in den Kindergarten fahren und einkaufen usw.
Und Wikipedia hat errechnet: Täglich werden in Kopenhagen 1,3 MILLIONEN Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt.
Über 13 Millionen Euro jährlich für die Fahrradinfrastruktur
Kürzlich hat sich auch die Wirtschaftswoche dem Zweirad-Paradies Kopenhagen gewidmet. Dort erfahren wir, dass die Stadt jedes Jahr über 13 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur investiert. Kein Wunder, dass das Radfahren hier mehr ist als ein umweltbewusster Freizeitsport.
Ich habe Kopenhagen, eben auch aufgrund der Fahrradkultur, als absolut lässig empfunden. Keine Hektik, nur zu den absoluten Touri-Knotenpunkten, wie zum Beispiel der kleinen Meerjungfrau, reisen natürlich auch Busse an. Wobei mich übrigens die ‚Größe’ dieser Weltberühmtheit (nur 1,25 m!) überrascht hat – die kleine Bronzeskulptur würde locker in ein Lastenfahrrad passen…
Und dann die Cargobikes!
Apropos Cargobikes, von denen sieht man in Kopenhagen natürlich auch jede Menge unterschiedlichster Sorten. Kein Wunder, sagen Eric Poscher und Juergen Ghebrezgiabiher, die gerade unter dem Titel „Car Go Bike Boom“ an einem Buch genau zu diesem Thema arbeiten. Die zwei haben in vielen Städten, u.a. Kopenhagen, recherchiert:
„Transporträder liegen voll im Trend und das zu Recht: sie sind cool, praktisch und gut fürs Stadtklima.“
In ihrem Buch wollen sie Designer, Hersteller, Aktivisten, Blogger, Künstler, Sozialunternehmer oder einfach nur Nutzer vorstellen, die dazu beitragen, Mobilität vergnüglicher und grüner zu gestalten.
Mein ohfamooses Fazit über den Kurztrip zum dänischen Nachbarn: Eine lockere, lässige Stadt, die sich auch über ihre Verkehrs- und Transportmittel ausdrückt. Wirklich inspirierend!
- Hier erfahrt Ihr noch mehr über die Spitzenstellung von Kopenhagen in Sachen Fahrrad
- Auch in Nizza wird aufs Rad gesetzt. Darüber hat Sonja bereits berichtet.
- Besonders beeindruckt hat mich der Blick auf und in die Frederiks Kirke. Die Marmorkirche liegt direkt am Schloss Amalienborg, der Stadtresidenz der dänischen Königin Margarete II. Eine Oase, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Wasser und mit Blick auf die neue Oper.
Fotos: Elke Tonscheidt
Titelfoto: pixabay