#Metoo ist nicht genug

Schlimmer geht immer. Erst kam der Hashtag #Aufschrei, dann #Metoo und jetzt bezichtigt man sich gegenseitig der Bitchiness und Petzerei. Ich persönlich habe die Haltung dieser Frauen langsam satt. ‚Metoo ist leider nicht genug. Ich sage #NotMe!

Frauen, wo wart Ihr denn die ganzen Jahre? Nicht nur in den 70ern gab es große Frauenbewegungen. Meine Freundinnen und ich sind in jungen Jahren gegen den Paragrafen 218 auf die Straße gegangen, haben öffentlich gekämpft. Jugendzentren und Frauenhäuser gegründet. Ich habe in den 90er Jahren in einem muslimischen Land das volle Sorgerecht für meine vier Jungs im Gerichtssaal erkämpft. Es hat sechs Jahre gedauert. Ich hätte damals viele Gründe gehabt zu sagen, dass mir vor Gericht keiner glaubt – so, wie viele Schauspielerinnen ihr langes Schweigen jetzt begründen. Aber heute muss man nicht mehr wirklich auf die Straße oder vor Gericht gehen, denn es gibt ja die so genannten sozialen Netzwerke, alles relativ anonym.

Die #Metoo Hysterie

Ich wähle das Wort mit Absicht, denn wenn von Hysterie die Rede ist, denkt man sogleich an eine nervöse bis panische, auf jeden Fall überspannte Person. Oder an wahnhafte, unbegründete Panik, die viele Menschen zugleich erfasst. Das Ausgangswort ist das griechische Wort hystera „Gebärmutter“, was verdeutlicht, dass in der Antike die Hysterie als spezifisch weibliche Krankheit aufgefasst wurde. (gefunden auf wissen.de)

Hysterisch auch, weil es in den Medien scheinbar nur um eine Branche geht: Schauspiel.

Vielen Frauen ist sexueller Missbrauch oder Übergriff in (sehr) jungen Jahren geschehen, ohne Chance sich zu wehren oder zu äußern. Hilft  #Metoo diesen Frauen? Macht es ihnen Mut? Mir geht die Debatte nicht weit genug. Wir müssen, wenn #Metoo etwas bewegen soll, mehr tun.

Begehrungsökonomie

Und dann lese ich in der Financial Times, dass es bei einem Traditionsdinner mit 360 ausschließlich männlichen Gästen zu massiven sexuellen Übergriffen auf junge Frauen gekommen sein soll. Die 130, von einer Agentur als Hostessen gebuchten, jungen Frauen wurden aufgefordert sexy Kleidung zu tragen und mussten eine schriftliche Erklärung unterschreiben, die es ihnen untersagt über den Abend zu sprechen. Wer unterschreibt so was? #NotMe

Ein ähnliches Beispiel liefert das deutsche Fernsehen. Wie lange noch sehen wir Mädchen, die sich von Heidi Klum in GNTM beschimpfen und erniedrigen lassen? Wie lange wollen sich Frauen noch in dieser Opferrolle sehen? Wie lange wollen wir noch Weicheier sein?

#NotMe – denn Frauen sind stark: wir können Kinder gebären, wir können länger laufen als Männer, wir können einen höheren Blutverlust vertragen als Männer und wir leben länger.

Ich habe meine vier Jungen alleine großgezogen, ohne großen religiösen Einfluß, aber mit den weltlichen Kardinaltugenden im Hinterkopf: Mut, Klugheit, Gerechtigkeit und Mäßigung. Hier ein Gedicht, das mein Ältester mir zum Geburtstag schrieb als er 17 Jahre alt war.

#Metoo ist nicht genug

Was können Frauen tun?

Wir müssen noch aktiver werden. Genau das versuchen wohl viele nun endlich – indem sie nicht mehr schweigen, auf die Problematik aufmerksam machen – besonders auch die Jüngeren wachrütteln. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und einander helfen. Wir müssen achtsam mit uns selbst sein. Wir müssen selbstbestimmte Kinder erziehen und ich appelliere an alle Väter: „Unterstützt Eure Töchter, dass sie stark werden“. Macht aus Ihnen keine Prinzessinnen sondern starke, eigenständige, ohfamoose Frauen.

 

Sonja Ohly
Sonja Ohly
Sonja ist die schreibende Nomadin und Chefin vom Dienst bei ohfamoos. Die begeisterte Taucherin ist auf der ganzen Welt unterwegs und beschreibt gerne als Reiseblogger ihre Destinationen. Ebenfalls großes Interesse zeigt sie für Politik und engagiert sich als PR Tante probono für eine Demokratische Bürgerliste und den Sportverein in ihrer Heimatkommune.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 5. Februar 2018 veröffentlicht
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Die Kommentare zu “#Metoo ist nicht genug”
  • Uwe Forgber

    Liebe Sonja, ein wunderbar ohfamooser Artikel, danke!

    Nur mehr Bewusstsein für die Schönheit und Einzigartigkeit beider Geschlechter wird in das bereichernde Miteinander wieder mehr Ruhe, Gelassenheit und vor allem gegenseitige Wertschätzung bringen.

    Selbstermächtigung, Stärke und Eigenständigkeit sind dabei die Schlüssel zur Tür vor der eigenen Schöpferkraft. Wir alle, Frauen wie Männer und unsere Kinder, können uns gegenseitig dabei unterstützen die Schlüssellöcher zu finden.

    #Metoo könnte dabei unendlich helfen, – allerdings nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Weg vom Opferbewusstsein, hin zum bewussten Umgang mit der eigenen Schöpferkraft. Dieses Potential sehe ich gleichermaßen bei Frauen wie bei Männern.

    Oder wollen wir ewig aufeinander einschlagen mit dem Versuch, dass jeweils andere Geschlecht zu beherrschen? #NotMe

    Wir meinen heute alles zu wissen. Vom Lebensgesetz der Polarität das hinter der Geschlechtlickeit fast aller Kreaturen steht haben wir aber kollektiv so gut wie keine Ahnung (mehr). Daher kommen wir gesellschaftlich in der Regel über eine mechanistisch – biologische Debatte nicht hinaus. #Verarmung

  • Edzard

    In den Übersteigerungen der Verse des damals 17-Jährigen spiegelt sich eine große Unzufriedenheit gegenüber der Welt, wie sie sich dem jungen Autoren dargestellt hat. Fast schon verzweifelt prangert er an: „no heart is open“ (also auch das der Frauen selber nicht) und reagiert dann interessanterweise ähnlich wie viele arabische Autoren in ihren Liedern und Gedichten oder auch arabische Männer, mit denen ich gesprochen habe (auch in anderen Kulturkreisen wird so gesprochen, aber nirgendwo so schön). Er beschreibt die Frau als reinstes Licht und Quelle der Liebe. So schön und wertschätzend diese Idee auch ist, so bleibt doch immer das Gefühl, das mit dieser Beschreibung eine Einschränkung oder sogar Zuschreibung verbunden ist. Zumindest in diesem Geburtstagsgedicht eines jungen Mannes, der seiner Mutter aus einem tiefen persönlichen Impuls heraus eine Liebeserklärung schreiben möchte, gibt es eine solche Zuschreibung, wie ja die erste Strophe zeigt. (Nebenbei: Danke Majid, ich weiß nicht, ob ich das meiner Mutter erlaubt hätte,)
    Nachdenklich macht mich, dass Sie GNTM (nachvollziehbar) kritisieren, aber gleichzeitig das angestrebte Schöheitsideal in Form eines Fotos als Bildhintergrund für das zitierte Gedicht wählen. Das „Not Me“ in der Ecke oben ironisiert das zwar, aber ein Unbehagen bleibt.

    Ich finde Ehrlichkeit schön.

    Ich kenne eigentliche keine Diskussionen, in denen die Geschlechter aufeinander einschlagen, wie es hier in einem Kommentar geschrieben wurde. Vielmehr finde ich, dass immer versucht wird, alles auf allgemeinverständliche Formulierungen herunterzubrechen und wir es uns bei der Betrachtung von Phänomenen zu einfach machen.
    Beispiel: Das von ihnen erwähnte Traditionsdinner mit 360 männlichen Geschäftsleuten und 130 Hostessen. Angemessene Reaktion der Männer: Dem Veranstalter einen Vogel zeigen und nach Hause gehen, angemessene Reaktion der Hostessen: den Auftrag erst gar nicht annehmen.
    Aber so einfach ist das eben nicht, das muss doch jedem klar sein. Da treffen 490 Einzelschicksale aufeinander, mit genauso vielen „Rucksäcken“ und komplexen Reaktionsmustern. Bestimmt fällt jedem Menschen ein anderer Grund ein, warum er nicht angemessen reagiert hat. Einige Männer und Frauen haben mit „NotMe“ reagiert, da bin ich sicher, auch wieder aus verschiedenen Gründen.
    Interessant wäre ein wirklich ehrlicher Austausch, aber noch wichtiger ist die Ehrlichkeit zu sich selbst.
    Die wünsche ich mir immer, wenn wieder mal abgeflacht unehrlich über solche Themen diskutiert wird und wir wieder auf irgendwen einschlagen, den wir gar nicht kennen. Heilig oder böse sind immer die anderen. Über die eigene Heiligkeit und Unheiligkeit zu sprechen gilt als übertriebenes Verhalten, als unbescheiden, als Selbstdarstellung, die im harmlosesten Fall unangenehm wirkt. Im öffentlichen Raum versucht Jeder/Jede, sich zwar ein bisschen individuell, aber auch nicht zuviel darzustellen. Man muss ja kompatibel bleiben, damit man noch angehört wird.

    Zu lang mein Text? Tschuldigung, war mein erster.

    • ohfamoos

      Lieber Edzard,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich finde es ohfamoos, dass mein Beitrag Dich dazu bewegt hat Deinen ersten Kommentar zu schreiben. Auch ich finde Ehrlichkeit schön und aus diesem Grund habe ich den Artikel geschrieben – aus dem Bauch heraus. Nicht um kompatibel zu sein.

      Mein Sohn ist heute Vater einer Tochter. Er schrieb das Gedicht damals um mir Mut zu machen, und genau deshalb habe ich das Gedicht für meinen Beitrag benutzt. Auch ich möchte (vor allem) jungen Frauen Mut machen: zu mehr Selbstbewusstsein, zum ‚Nein sagen‘ wenn man etwas nicht will. Denn das war ja schlussendlich der Auslöser der #Metoo Debatte. Die, wie Du richtig feststellst, viel zu oberflächlich diskutiert wurde, und im öffentlichen Raum schon in der Versenkung verschwunden ist. Leider auch ein Phänomen unserer Zeit und einer der Gründe weshalb ohfamoos entstanden ist. Wir suchen den Austausch!

      Ich hoffe Du schreibst uns noch viele Kommentare 🙂

      ohfamoose Grüße,
      Sonja


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