Nachhaltig in München? Und wie entspannt das geht!
Was haben ein Katzentempel, versteckte Vegan-Cafés, Radtouren für Genießer oder Adressen für nachhaltiges Shopping gemeinsam? Sie – und noch viel mehr – stehen fein sortiert in Michael Reimers Buch: „Nachhaltig unterwegs in München und Umgebung“. Der Münchner Autor präsentiert darin 28 Spaziergänge und Radtouren, die gleich mehrfach anregen: Zum Beispiel in nachhaltigen Restaurants einzukehren oder, ganz entspannt, einen Stopp in nachhaltigen Shops einzuplanen. Und nebenbei erfährt man zudem etwas über Kunst und vor allem: Naturparadiese.
Dabei hat Michael Reimer seine Routen so ausgewählt, dass sie in München durch architektonisch interessante Winkel und naturnahe Grünanlagen führen. Aber auch die Landschaften rund um Bayerns Metropole locken und sind sämtlich so ausgelegt, dass sie bequem in wenigen Stunden zu bewältigen sind.
Das sehr hübsch bebilderte Buch, um nachhaltig München zu erkunden, passt gut in den Rucksack und gibt auch München-Kennern völlig neue Einblicke. München-Fan Elke hat Michael Reimer folgende Fragen gestellt.
Michael, nachhaltig reisen, großes Thema gerade jetzt – Dein Buch trifft einen Nerv der Zeit, oder?
Ob das so ist, kann ich vielleicht erst später anhand des Kontostandes beurteilen. Aber Spaß beiseite: Insgesamt habe ich bereits während der Recherche erfahren, dass das Thema Nachhaltigkeit nach wie vor angesagt ist. Wobei man diesen „Modebegriff“ etwas genauer verifizieren muss – es sind auch viele Trittbrettfahrer unterwegs …
Du bist ja gebürtig aus Bayern und kennst gerade die Münchner Region wie Deine Westentasche. Was hat Dich, der ja selbst jede empfohlene Tour akribisch unter die Lupe nimmt, am meisten überrascht?
Ja, in der Tat kenne ich mich in meiner Heimat bestens aus; wenn Freunde bei jeder Gelegenheit ihr Navi anstellen, ernten sie manchmal einen süffisanten Kommentar. Aber geografisch gepolt zu sein, heißt noch lange nicht, auch bei den Trendhemen auf dem Laufenden zu sein. Dass es in München mittlerweile einige nachhaltig arbeitende Stores und Gastrobetriebe gibt, war mir bekannt.
Überraschende Neuentdeckungen mitten in München
Aber dass es so viele sind, war überraschend?
Genau, mit dieser Dichte habe ich nicht gerechnet. In der Altstadt, im Glockenbachviertel, in Schwabing und in Haidhausen hat man beim Shoppen und Essen ja die Qual der Wahl! Und selbst in der Isarvorstadt, wo ich meine Studentenzeit verbracht habe, verbergen sich einige überraschende Neuentdeckungen.
Allein für München empfiehlst Du neun Ausflugsziele – womit sollte ein Tourist, der die bayerische Landeshauptstadt noch gar nicht kennt, am besten beginnen?
Das hängt ganz vom Charakter des Einzelnen ab. Wer lieber im Zentrum des Geschehens unterwegs sein und viele Leute um sich haben möchte, ist wohl in der Altstadt oder in Schwabing am besten aufgehoben. Es ist aber auch sehr reizvoll, die Stadt quasi von außen her kennen zu lernen.
Der Spaziergang durch Neuhausen-Nymphenburg etwa bietet einen spannenden Mix aus drei landschaftsgeschützten Parkanlagen und spannender Stadtteil-Architektur mit schönen Einkehr- und Einkaufsmöglichkeiten. Bei Schloss Nymphenburg taucht man nur beiläufig in den Touristenstrom ein.
Leute, die München kennen, denken gern direkt an Schwabing; auch die Altstadt oder Bogenhausen sind bekannt. Welche Viertel sind unterschätzt, werden gerade zu neuem, nachhaltigem Leben erweckt?
Ganz klar auf dem Vormarsch ist das Westend, das einst als Glasscherbenviertel verschrien war, heute aber zu einem multikulturellen Stadtviertel mit zahlreichen Bars, Cafés und Restaurants avanciert ist. Künstler geben beim „Open Westend“ alle zwei Jahre Einblick in ihre Studios, Ateliers, Werkstätten und Läden. Aber auch Giesing befreit sich immer mehr vom Arbeiterviertel-Klischee, wobei die Gefahr besteht, dass die Gentrifizierung hier zu einem erheblichen Anstieg der Mieten führt.
Nachhaltig reisen UND nachhaltig schlemmen – das geht!
Wer wandert oder radelt, der freut sich über Orte, wo man einkehren kann. Nachhaltig schlemmen heißt das in Deinem Buch. Gibt es ein Café oder Restaurant, das Dir ganz besonders ans Herz gewachsen ist und was zeichnet diese nachhaltigen Adressen aus?
Am meisten ans Herz gewachsen ist mir das Café Über den Tellerrand, weil es nicht nur schmackhaftes und gesundes Essen bietet sondern auch die Integration von Menschen mit Flüchtlingshintergrund fördert: Asylbewerber mit Duldungsstatus fühlen sich hier plötzlich als Gastgeber einer eigenständigen internationalen Küche und nicht als Mensch zweiter Klasse.
Wie geschieht das?
Sie begegnen sowohl den Vorgesetzten als auch den Café-Besuchern auf Augenhöhe, weil sie ihre Kreativität in die angebotenen Gerichte einbringen dürfen und durch die faire Bezahlung selbstständig werden. Nicht nur deshalb ist das Tellerrand-Café ein sehr sympathischer Ort der Begegnung, der eben auch den sozialen Aspekt nicht außer Acht lässt. Denn nachhaltige Cafés und Restaurants sollten ja nicht nur auf einen ökologischen oder zumindest regionalen Produkteinkauf mit möglichst kurzen Lieferwegen achten, sondern auch auf die faire Behandlung ihrer Mitarbeiter.
Wohin radeln Genussradfahrer*innen in München am besten?
Du verwendest den Begriff Genussradfahrer, so eine bin ich vermutlich 🙂 Wenn Du mir, die München ja aus 10jähriger Erfahrung kennt, drei Ziele im Münchner Umland empfehlen müsstest, welche wären das?
Klar, einer München-Kennerin wie Dir werde ich jetzt nicht die vielbesuchte Pupplinger Au empfehlen, sondern eher ein entlegeneres Ausflugsziel.
Dann fang mal an 🙂 …
Die Streckentour von Tutzing nach Possenhofen etwa beginnt und endet zwar am gleichfalls bekannten Starnberger See – was die Badefreunde unter uns durchaus zu schätzen wissen –, verläuft jedoch am wunderschönen Gut Kerschlach vorbei durch abgelegenes und abwechslungsreiches Wald- und Wiesengelände.
Noch zwei Beispiele?
Gern. In Herrsching am Ammersee pilgert der Touristenstrom Richtung Kloster Andechs, aber die Radroute durch das Flora-Fauna-Habitat Raistingerwiesen zum mega-idyllischen Grenzebacher Hofbiergarten mit Abstecher zu Bayerns größtem Eibenwald ist immer noch ein Insider-Tipp. Und nördlich von Dachau führt uns der Ammer-Amper-Radweg genussreich durch artenreiche Flussauen in die Bio-Tafernwirtschaft Hörger.
Warum ist es Dir wichtig, auch Adressen für’s nachhaltige Shoppen aufzuführen?
Ich selbst bin nicht gerade der begnadete Shopper, weshalb ich mir viele Tipps von meiner „besseren Hälfte“ Angela einholen musste. Denn die auf Umwelt und Nachhaltigkeit achtenden Stores sind gerade in München das Salz in der Suppe.
Das hat selbst Dich als Modemuffel überzeugt?
Ja, bei meiner Recherche wurde mir bewusst, wie farbenfroh und schick auch Klamotten aussehen können, die aus Bio-Baumwolle, Leinen und Hanf hergestellt werden. Und wenn statt Leder Kork verwendet wird, kommt dies nicht nur den Tieren zugute. Warum sollte man sich also beim Nachhaltigkeits-Gedanken auf die Gastronomie beschränken?
Warum der BUND Naturschutz in Bayern das Buch empfiehlt
Weshalb ist das Buch in Zusammenarbeit mit dem BUND Naturschutz in Bayern, der Dein Buch ja wärmstens empfiehlt, entstanden? Was hat ihn so überzeugt?
Mitglied beim BUND Naturschutz bin ich schon seit geraumer Zeit. Aber der erste persönliche Kontakt erfolgte durch eine Buchlagerräumung vor wenigen Jahren. Ich stellte einen Teilbestand des Titels „Unterwegs zu Bruder Baum“, den ich sicher nicht mehr verkaufen werde, dem BUND Naturschutz kostenfrei zur Verfügung – anstatt die Bücher einfach in den Müll zu werfen.
Ungewöhnliche Aktion!
Ja, und auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit! Man war von der Qualität meiner Bücher angetan und als ich dann den München-Nachhaltigkeitsführer als neues Projekt beschloss, wollte ich professionelle Insider-Tipps einholen. So kam ich auf die Idee der Kooperation. Die war dann – da sie dem BUND Naturschutz keine Kosten verursachte – nur noch „a gmahde Wiesn“, wie man in Bayern so schön sagt.
Michael Reimer ist ein erfahrener Reisejournalist, Fotograf und Lektor mit zahlreichen veröffentlichten Büchern und Fachartikeln für namhafte Verlage und Printmedien. Sein Schwerpunkt liegt auf naturnahem und nachhaltigem Reisen in Oberbayern und Tirol, wobei sein Pioniergeist danach verlangt, immer wieder neue Wege und Herausforderungen zu suchen. Auf ohfamoos hat er bereits über sein Buch, mit Hund durch Deutschland zu touren, geschrieben.
Auch interessant:
- So hat KulturVision e.V. „Nachhaltig unterwegs in München und Umgebung“ unter die Lupe genommen.
- Der BUND lobt das Buch für seine „Projekte und Ideen, die dazu beitragen möchten, unsere Welt ein bisschen besser zu machen“ und die Mühe, „die bunte Vielfalt zusammenzubringen“. Denn Nachhaltigkeit umfasse nicht nur die Wahl des Ausflugziels sondern auch, wie man dorthin komme „wie die Verpflegung oder den kulturellen und historischen Kontext.“
Fotos via Michael Reimer