Zeit für frische Ideen – 4 Hoteliers im Interview
Viel ist derzeit über die dramatische Lage von Hotels zu lesen. Wir haben vier Hoteliers gefragt, wie sie versuchen, die Coronakrise zu meistern. Zwei kleine Hotels, eins auf Mallorca, eins an der Ostsee. Ein großes in Südtirol und eins, das bereits seit langem herausfordernde Zeiten durchmacht: Das Hotel Votsala auf Lesbos. Eins vereint alle Hotels, obwohl sie sehr unterschiedlich sind – sie lassen sich nicht hängen, gehen den Alltag mit neuem Elan an!
Spanien / Mallorca
Mallorca, gerade Deutsche lieben diese Insel 🙂 Auch ich bin gern dorthin geflogen, besonders das Städtchen Arta hatte es mir angetan. 2019 erfahre ich, dass eine mir bekannte Reiseleiterin dort ausgerechnet nun eins „meiner“ Lieblingshotels managt: Das Casal d’Artà, vor kurzem aufwändig restauriert, up top eine wunderschöne kleine Dachterrasse.
Nicht nur Connie Boeker selbst weiß, dass „ihr“ Haus einfach, aber etwas Besonderes ist! Es gibt einen sehr persönlichen Draht zu den Gästen, die auch jetzt natürlich stornieren, aber: „Die meisten sagen, sie würden die Vorauszahlungen für nächstes Jahr stehen lassen“, freut sich die gebürtige Deutsche. Und fügt hinzu:
„Es wird irgendwie weitergehen, wir sind hier relativ entspannt.“
Entspannt? Das liest sich oft anders. Focus Online schreibt: „Mallorca bibbert“ und auch andere Medien stellen vor allem die Sorgen nach vorn, wenn es darum geht, über die Baleareninsel zu berichten. Natürlich blendet auch Connie das alles nicht aus! Aber sie wundert sich, wie viel in ihrer deutschen Heimat gemeckert wird: „Wir haben hier viel strengere Auflagen, dürfen selbst mit Hund nur 50m weg von unserer Wohnung!“ Sie lobt die Fröhlichkeit der Spanier auch in harten Zeiten sowie die „unglaubliche Besonnenheit“ von Angela Merkel. „Ich finde sie sehr menschlich“, erzählt mir Connie in unserem Skype-Talk und dann verabschieden wir uns in der gemeinsamen Hoffnung, dass wir uns bald auch live wiedersehen können…
Übrigens, die Mallorca Zeitung berichtet darüber, wie Tourismusforscher und Unternehmen bereits an Sicherheitsmaßnahmen arbeiten, die im Urlaub vor Sars CoV 2 schützen können!
Deutschland / Ostsee
Ich frage weiter, wie es Hoteliers in diesen Zeiten ergeht und telefoniere mit Marie Tscharn. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann die kleine Pension Walmeer in Kellenhusen an der Ostsee, nicht weit entfernt vom bekannten Ostseebad Grömitz. Vor sieben Jahren hat sich die ausgebildete Sozialpädagogin selbständig gemacht, letztes Jahr noch kräftig in den Brandschutz investiert. Auch sie verharmlost die Situation nicht („Es ist katastrophal, weil wir im Winter ja keine Einnahmen haben.“) – gleichzeitig vermittelt die gebürtige Saarländerin und in Bayern aufgewachsene Frau eine fast positive Stimmung.
Ostern sei noch nie so schön gewesen wie dieses, höre ich und staune. Viele Medien würden andere Bilder vermitteln, sage ich und Marie Tscharn lässt ihrem Realismus freien Lauf: „Es ist, wie es ist, ja. Aber es bringt einfach nix, sich darüber zu beklagen. Wir haben die schöne Ostsee vor der Nase, ich habe einen 450€ Job angenommen und die freie Zeit, die wir gerade genießen, arbeiten wir einfach nach. Wir nehmen einen Kredit auf und arbeiten vier Jahre länger.“
„Ich suche immer Lösungen, kurz: Mir geht’s gut.“
Und auch sie freut sich darüber, wie viele Gäste ihre Anzahlungen stehen ließen – in der Hoffnung dieses oder eben nächstes Jahr wiederzukommen.
Südtirol / Pustertal
Im Pustertal höre ich von einem Hotel, das vor allem eins verspricht: Hier soll man sich gerade im Urlaub Zeit für die eigene Familie nehmen. Die Hoteliersfamilie, die das komplett und enorm aufwändig renovierte Entdecker-Hotel erst im letzten Sommer neu eröffnete, schreibt mir mit Ironie: „Vermutlich seid Ihr – gezwungenermaßen – auch zu unserem Konzept gemeinsame Zeit übergelaufen, welches jetzt anscheinend fast weltweit verordnet wird. Dachte nicht, dass sich diese Inhalte so rasch übertragen lassen.“
Auch in Südtirol versucht man also, dem Corona Virus positive Seiten abzugewinnen und verdeutlicht:
„Unser Konzept der gemeinsamen Zeit wurde auf die ganze Welt übertragen.“
Manche, so die Prognose aus dem Pustertal, „werden daran Gefallen gefunden haben, andere werden damit hadern und vermutlich noch mehr Urlaub brauchen, wieder andere werden den Wert der Familienzusammengehörigkeit im Kleinen noch mehr schätzen als vorher.“
Ich erinnere mich, wie eingespannt die gesamte Familie in den Hotelbetrieb war, als wir im Sommer 2019 dort Urlaub machten. Nun genießen Karin und Arnold ihre gemeinsame Zeit mit den Töchtern „in einem immens großen Spielhotelbereich und sind in Verbindung mit unserer engsten Familie“.
Ohne dass ich danach frage, beschreibt mir Arnold Harrasser, „wie sich die Natur alles wieder zurückholt, was ihr eigentlich zusteht; es sind viel mehr Vögel und Tiere sicht- und hörbar, alles ist beschaulicher und langsamer.“ Speziell die Mäusebussarde seien derzeit sehr aktiv und ein Novum: Sogar ein Fuchs habe sich erstmals an die hoteleigene Feuerstelle im Garten gewagt, aufgestöbert von flinken Raben.
Der Entdecker-Hotel-Bauherr macht sich derzeit keine großen Sorgen – die Liquidität sei aufgrund der guten Wintersaison und des ersten Betriebsjahres positiv. Man könne auf Reserven zurückgreifen, weiß aber selbstverständlich, dass es andere Gastgeberkollegen hart trifft: „Bei vielen z.B. besonders in der Westhälfte Südtirols (mit Saison von März bis Oktober) sollte die Hauptsaison im Frühling sein. Die können natürlich nicht starten, haben sehr viele Anzahlungen, die zurückerstattet werden müssen und somit rutscht der Kontostand häufig ins Minus.“

Den musikalischen Ostergruß aus dem Entdecker-Hotel könnt Ihr Euch auf dessen Facebookseite anhören!
Arnold Harrasser hofft auf eine verstärkte Urlaubsnachfrage in den nächsten 1-2 Jahren. Derweilen genießt er das intensive Familienleben: „Jetzt backen wir auch für uns Stockbrot und Marshmellows, üben Ziehharmonika und erkunden neue Wanderrouten.“
Familienzusammenhalt – nie war er so wertvoll wie heute.“
Griechenland / Lesbos
Und Griechenland? Wie werden wohl die – laut Handelsblatt – rund 10.000 griechischen Hotels die Zwangspause überstehen? 2018 erwirtschaftete Griechenland, nach Berechnungen des World Travel & Tourism Council, fast 21 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit Reiseverkehr und Tourismus.
Die griechische Insel Lesbos steht seit 2015 vor enormen Herausforderungen. Mit meiner Familie war ich im Herbst 2018 vor Ort – und begeistert von Land, Leuten und Lebenseinstellung. Wie mag es nur „unseren“ so liebenswürdigen Hoteliers dort ergehen?
Ich frage Iannis vom Hotel Votsala. Von dessen Hotel aus kann man das türkische Festland sehen. Und noch immer lesen wir ja die dramatischen Berichte über das Flüchtlingslager in Moria. Jetzt auch noch Corona…
Aber Iannis schreibt mir nicht missmutig oder gar verängstigt – nein, ich lese sein: „Jetzt ist die Zeit für frische Online-Ideen!!!!!!“ Und höre, dass sie nun, seine Frau Daphne ist eine begnadigte Köchin, jeden Samstag „familiy cooking“ anbieten. Das, was früher in der geräumigen Küche des Hotel Votsala stattfand, gibt es nun eben: online.
Iannis ist begeistert: „Es war so schön. 25 Familien aus der ganzen Welt, Votsala-Freunde aus Irland, UK, Holland, Deutschland, Schweiz, Italien, Finnland, Belgien und natürlich Griechenland.“
Zwei Gäste haben mittlerweile ihre Töchter, die weit entfernt von ihnen leben, zum gemeinsamen Zoom-Kochen integriert. So sieht man sich wieder.
Zusammen online kochen – vielleicht ein Trend für die nächsten Monate?
Iannis macht sich jedoch keine Illusionen, was die Touristensaison betrifft: Diese sei vermutlich vorüber, bevor sie begonnen habe… Das treffe besonders die Angestellten hart. „Aber sobald wir wieder öffnen dürfen, werden wir auf euch warten!“
In der Zwischenzeit haben Daphne und Iannis auch ein Koch-Video erstellt – mit einem einfachen, typisch griechischen Rezept. Es gibt sie, die griechische Lebensfreude, ich sage nur: Zebra-Style 🙂
Fotos: Pixabay (Thorben Raufmann), privat und Elke Tonscheidt