Auf Lesbos im Hotel Votsala: Das Meer so nah
Mit viel Engagement und Charme geführt – so empfiehlt der Michael Müller Verlag in seinem Lesbos-Reiseführer das Hotel Votsala. Stimmt. Hinzufügen möchte ich: Wer dort war, hat vermutlich einen SEHR speziellen Zauber gespürt. Ein Ort, den man erfinden müsste, würden Iannis Troumpounis, seine Frau Daphne und ihr Team diesen nicht längst hegen, pflegen und – sehr griechisch – weiterentwickeln.
Als wir die Hotelanlage im Osten der Insel erreichen, werden wir gleich – obwohl unbekannt – wie Freunde empfangen. Ann-Marie, eine deutsche Urlauberin aus Nordrhein-Westfalen, hat gerade Seeigel aus dem Meer geholt. Ganz frisch aufgeschnitten liegen sie auf dem blauen Holztisch und werden uns freundlich angeboten. Gern probiere ich den am Mittelmeer als Delikatesse geltenden Meeresbewohner: Sehr salzig, aber auch ein bisschen süßlich. Und danach realisieren wir: Hier werden wir also die kommenden Urlaubstage sein:
Direkt am Meer, das sich nur wenige Meter von uns befindet. Hier schauen die Kinder nach Krebsen, flitschen Kieselsteine in die zu dieser Jahreszeit meist sanften Wogen der Ägäis und wer schwimmen möchte, nutzt den kleinen Badesteg für einen Sprung ins Wasser.
Das Meer ist im Hotel Votsala allgegenwärtig
Egal, wo man sitzt: Das Meer ist allgegenwärtig. Ob aus dem mediterran angelegten Garten, den eine (namenlose) Gans „bewacht“, oder von der Hotelterrasse: Bis aufs türkische Festland kann man schauen. An manchen Tagen ist das Licht so milchig, das es Gäste als „cremig“ beschreiben. Wunderschön, die Farben. Die Brise. Die Ausblicke.
Eine deutsche, man kann fast sagen, „community“ hat sich hier gebildet, die stetig wieder kommt um die große Gastfreundschaft von Daphne und Iannis zu genießen.
Denn die zwei (und ihr gesamtes Team) kümmern sich fast rund um die Uhr um ihre Gäste: Es beginnt mit einem wunderbaren Frühstück, das immer auch landesspezifische Köstlichkeiten enthält und das wir bei klassischer Musik unter großen Bäumen verzehren. Selbst jetzt, im Herbst, kann man hier noch super draußen sitzen. Das Wasser plätschert, die Sonne wärmt – und manchmal kommt sogar eine Gottesanbeterin den Holzstuhl hinauf geklettert.. Die Abende verbringen wir gern in oder vor einer schönen Taverne (s. Foto) und erleben das Dorfleben oder essen das köstliche Barbeque, das im Votsala angeboten wird. Manche Gäste haben sogar in der Küche mitgekocht!
Tagsüber können die Gäste wählen: Nehmen sie an einer der sorgsam vom Hotel geplanten Touren teil oder erkunden sie die Insel auf eigene Faust. Wir machen beides: Besonders gut hat uns der Norden um Pétra und Mólivos gefallen. Die Region wird im Reiseführer zwar als „Hochburg der Urlauber“ beschrieben, strahlt aber jetzt im Herbst einen sehr eigenen Charme aus. Die Ortsbilder sind gut erhalten und wer die 114 Stufen zur Panagía Glykofiloúsa herauf steigt, dem Wahrzeichen Pétras, hat von der etwa 35 Meter hoch gelegenen Kirche einen wunderschönen Ausblick auf die Region.
Natürlich rät uns Daphne vorab, wo wir Flamingos, Schildkröten und andere Tiere sehen können, damit auch unser Sohn Spaß am Ausflug in den Norden der drittgrößten griechischen Insel hat. Und das hat er!
Im Hotel Votsala fühlt man sich zu jeder Zeit willkommen. Man kann in Ruhe die große Bibliothek nutzen oder die Seele in einer Hängematte unter Apfelsinen- und Granatäpfelbäumen baumeln lassen.
Unaufgeregt und liebenswürdig – dies ist die Beschreibung, die sich mir einprägt, wenn ich an unseren Aufenthalt jetzt in der Nachsaison zurück denke. Im Sommer ist es hier natürlich quirliger, aber beides hat seinen Reiz!
Hotel Votsala: „So entspannt und gleichzeitig so interessant!
Und wie sehen es andere Gäste? Ich frage eine Mutter aus Berlin, die zum 1. Mal mit ihrer Familie hier und auf Empfehlung ihrer Schwester gekommen ist. Marie aus Berlin findet Worte, die ich voll und ganz unterstreiche!
„Es fühlt sich an wie alte Bekannte besuchen, nicht wie ein Hotel. Weil sich Iannis mit an den Tisch setzt und von seiner Zeit als Architekt erzählt. Weil Daphne im Restaurant ihr Kinderbuch aufführt und weil Jorgos seine Spezialspaghetti für alle kocht und dazu seine Lieblingsplatte auflegt. Die drei zeigen einem nicht nur die schönsten Tavernen. Sie erzählen auch, was auf der Insel los ist, denn politisch aktiv sind sie auch. Und dabei immer fröhlich, vor allem wenn gerade ein Kind vorbeiflitzt. Das macht es so entspannt und gleichzeitig so interessant.“
Kann es ein größeres Lob geben?
Abschließend einige Worte zum Thema Flüchtlinge. Denn natürlich ist dieses Thema auf der Insel, die ganz besonders im Jahr 2015 Tausende geflohener Menschen aufgenommen hat und im Scheinwerferlicht aller Medien stand, weiter präsent. Diese Menschen sind da, Pragmatiker fragen mit Recht: Wo sollen sie auch hin?
Und ich beschreibe hier bewusst nicht die Zustände in den Camps. Natürlich gibt es dort enorme Probleme, die nicht wegzudiskutieren sind. Wir sind mehrfach in Moria, wo sich das größte Camp befindet, vorbei gekommen und Iannis, der zusammen mit seiner Frau schon seit vielen Jahren Flüchtlinge unterstützt, wo das aktive Ehepaar nur kann, weiß vermutlich wie wenig andere um die Brennpunkte. Denn täglich kommen weiter neue Menschen an – im Norden ist Lesbos nur etwa neun Kilometer von Kleinasien entfernt – und es gibt zu wenig Platz, zu wenig Perspektiven.
Der wunde Punkt aber ist: Wenn Medien nur über eines, eben das Thema Flüchtlingspolitik, schreiben, entwickelt sich eine gefährliche Schieflage. Die bis heute existiert. Iannis kann seine Enttäuschung darüber nur schwer verbergen:
„Noch immer ist für die meisten Medien das Camp Moria und die ganze Insel Lesbos ein Ding.“
Iannis weiß es besser. Er liebt seine Insel – stetig zeigt er seinen Hotelgästen all die prächtigen Stätten, die es hier früher gab und die heute Zug um Zug rekonstruiert werden. Theater, Kirchen, Museen, Klöster, Schlösser und so vieles mehr.
Ein Highlight ist auch die gemeinsame Olivenernte – fünf ganze Säcke kriegen wir zusammen und dürfen anderntags mit in die hochmoderne Fabrik, wo aus ihnen köstliches Olivenöl hergestellt wird. Handgepflückt. Virgin. Ein Erlebnis.
Wir gehen auf diverse Touren. Ob zu Fuß durch dichte Wälder (Lesbos hat allein mehr als 11 Millionen Olivenbäume!) oder mit dem Boot auf den wunderschönen, binnenseeartigen Golfen. Es gibt so viel und es tut sich auch so viel Positives, aber das ginge schlicht unter in einer Berichterstattung, die nur auf eins fixiert sei: Missstände aufzuzeigen.
Bleiben wir also beim Positiven: Oberhalb des Hotels Votsala kann man sich auch in die „Villa Daphnis und Chloe“ einbuchen, das schon jetzt ein wahres Kleinod ist und architektonisch an ein kleines Kloster denken lässt. Und Iannis wäre nicht Iannis, würde der gelernte Architekt nicht auch dort weiter entwickeln und die ehemalige Badepension ohfamoos erweitern… aber darüber lest Ihr ein anderes Mal!
Ich empfehle Lesbos und die Gastfreundschaft im Hotel Votsala … all jenen, die mehr suchen als ein gut funktionierendes Hotel. Bei Daphne – die übrigens sowohl ein kostbares Kochbuch als auch ein sehr einfühlsames Kinderbuch (s. Foto) geschrieben hat – und Iannis , dem unermüdlichen Geschichtenerzähler, fühlt man sich von der 1. Minute an geborgen. Es ist ein sehr eigener Charme, der den Ort und die Menschen umgibt. Einzigartig, inmitten der Natur. Hier gehen Reisende als Freunde und die meisten kommen oft und gern wieder!
Informationen über die Flüchtlingsarbeit auf Lesbos:
ODYSSEAS – von Daphne Vloumidi und Shohreh von Maydell bereits 2012 gegründet; bietet Beschäftigungs-, Lern- und Kontaktprojekte für junge Flüchtlinge, die auf der Insel untergebracht sind.
Informationen das Mosaik Support Center für Flüchtlinge und Lokalbevölkerung, mit ebenfalls breit gefächerten Angeboten, auf einer sehr ausführlichen Website erläutert.
Interview mit Johanna Martin, die seit 2006 immer wieder nach Lesbos fährt.
Und hier der Link zum Kinderbuch über Lesbos, das Daphne Vloumidi geschrieben hat!
Fotos: Ilka Woyczechowski und Elke Tonscheidt