Wofür bin ich hier? Eine ohfamoose Nachbetrachtung
„Ich fand es eine sehr angenehme Runde und hätte noch ewig weiter diskutieren können 🙂 “ So wie Jakob Lochner, Physiker und einer von 12 Referenten der 3. Ohfamoosen Unkonferenz, ging es uns auch, den Gastgeberinnen. Hier Eindrücke, die wir gesammelt haben.
Zunächst unser größtes Learning:
Einmal im Fluss, tut online gar nicht weh.
Im Gegenteil: Als die Arbeit des Orgateams mit Detlef Untermann, Steffen Birnbaum und Oliver Gnad Fahrt aufnimmt, ist alles halb so wild, oder besser: Es hat richtig viel Spaß gemacht. Wirklich alles, die Vorbereitung, Durchführung und jetzt auch darüber zu schreiben 🙂 Wie sagte Steffen in der ersten Internen Feedbackrunde: „Sso geil, jeder nimmt sich bei uns Aufgaben, nix muss verteilt werden.“
Und auch, was die Konferenzteilnehmer*innen betrifft, gilt: Was gut passt, findet zusammen. Oder wie Yvonne Hayward, eine unserer Moderatorinnen, zu sagen pflegt:
Die Richtigen werden da sein.
Wie ein Puzzle fügen sich auch die Themen zusammen: Empathie wird im Workshop Überleben mehrfach angemahnt („Politischer Liebesentzug reicht nicht!“), so wie es in der Pluralismus-Debatte um das Ringen geht. Dort bringen Frank Weiß und Olga Rimskaia-Korsakova den Gedanken ein, dass uns das Ringen um eine Sache oder Theorie abhandengekommen ist. Stephan Eisel verweist auf die Akzeptanz der Mehrheitsregel im politischen Pluralismus und man einigt sich während der Diskussion, dass wir mehr Miteinander dringend brauchen.
Soziale Lüge als Schmierfett der Gesellschaft
In der Diskussion über das Glück befinden alle, wie wichtig es sei, sich bewusst FÜR ein gutes Leben zu entscheiden (wohl wissend, dass es nicht für alle im selben Maß möglich ist). Im Workshop Wahrheit macht Detlef Untermann deutlich, dass die soziale Lüge das Schmierfett unserer Gesellschaft ist und kennzeichnet, natürlich, Donald Trump als den „Meister“ der Übertreibung. Das hätte die Moderatorin der höchst aktuellen Session US-Wahl, Ute Rentmeister, sicher gern aufgegriffen: War es doch ihr Bestreben, gerade mit Blick auf die veränderte politische Situation in Washington das neue Miteinander fast ein bisschen zu beschwören. Denn genau darum ging es uns ja in dieser Unkonferenz!
Anselm Schneider, emsiger Start-Up Unternehmer aus Bonn, fasst seine Eindrücke in einen Vergleich: Hunderte von Online-Konferenzen habe er in seinem nicht kurzen, internationalen Beraterleben schon mitgemacht. Den Spannungsbogen über Stunden derart zu halten, das sei ihm so noch nicht passiert! Er lobt die „gute Energie“ und dass sich Menschen so engagiert, offen und ohne Angst vor fundamentalen Themen ausgetauscht haben. Wie kann man daraus Handlung machen, lautet Anselms Kernfrage.
Jeannette Hagen, ebenfalls Referentin, hatte darauf eine Antwort: Wir müssen alle mehr die GUTEN GESCHICHTEN erzählen, sagt die quirlige Buchautorin, die kürzlich ein Politikstudium aufgenommen hat. Ohfamoos den Fokus auf das Positive im Leben zu legen und dafür Räume für den Austausch zu öffnen – darauf kommt es nicht nur der Berliner Aktivistin an.
Auch wenn das manche, wie Oliver Gnad offen und humorvoll für sich eingesteht, „erst mit 51 Jahren schaffen, den Arsch hochzubekommen“. Dafür hat der hessische Historiker nun eine Initiative in Frankfurt am Start, die auf Neue Mobilität, Neues Arbeiten und Neue Innenstädte setzt. Der Gründer des Bureaus für Zeitgeschehen möchte nicht länger auf „Alternativlos-Konzepte“ aus Berlin warten. Sein Tenor:
Wir müssen uns unsere lebenswerte Welt schon selbst und lustvoll erstreiten. Wer sonst sollte es für uns tun?
Bereits die Keynote berührte. Fahim Al Qasimi berichtete aus seinem Homeoffice in Dubai, warum er sich dafür einsetzt daran mitzuwirken, bis spätestens 2038 eine bessere Welt zu schaffen: Nicht nur, aber eben doch besonders für seine Kinder. In 18 Jahren ist der 34jährige Unternehmergeist vielleicht nicht mehr on the job, doch seine Zwillinge werden ins Arbeitsleben eintreten. Das neue Start-Up von Fahim, Seafood Souq, ist ein offener und transparenter Marktplatz, der die Probleme bei der Beschaffung von Fisch und Meeresfrüchten lösen will, um mehr Effizienz, Auswahl, Transparenz und Rückverfolgbarkeit für den Verbraucher zu schaffen.
Für eine neue Form des Dialogs sprach sich die Münchner PR-Frau Carla Kleinjohann in der Debatte über den Klimaschutz aus. Die zentrale Frage heute sei „nur“ die: „Wofür bin ich hier?“ Katja Glasmachers, die Schulentwicklerin aus Bochum, fügte an: „Und was motiviert Menschen zu tun? Wir wissen so unendlich viel, doch wir müssen berührt werden!“ Da war sie wieder, die Empathie…
Als sich am Ende alle Teilnehmer*innen einzeln und hintereinander vom Bildschirm wegklicken und in ihre Wohnungen zurückziehen, sacken Sonja und ich – nun wieder allein – beglückt in unsere Sessel. War das intensiv und inhaltlich verdichtet! Oder wie es Sabine Poolke, eine von 51 Teilnehmer*innen, in einer WhatsApp an ihre Freundin Sonja ausdrückt: „Dass wir alle unseren freien Sonntag gerne eingebracht haben, um über solch‘ zeitnahe Themen zu sprechen, sagt doch alles. Ihr bringt Menschen zusammen, die etwas bewegen – und ich bin froh dabei gewesen zu sein.“
Fotos: Steffen Birnbaum / Uwe Forgber