Stadt oder Land – Wo willst du wohnen?
Wo lebt es sich besser? Auf dem Land oder in der Stadt. Die ARD strahlt zu dem Thema gerade eine Themenwoche mit dem Titel „Stadt.Land.Wandel“ aus. Sonja ist in einem Dorf aufgewachsen und hat 40 Jahre lang in der Millionenstadt Dubai gelebt. Sie findet das Thema spannend und hat dazu einen Test gefunden, den Du unten im Beitrag findest.
Meine Kindheit und Jugend habe ich in Lich, einem beschaulichen hessischen Städtchen, verbracht und habe es geliebt. Ich hatte Freunde und Freundinnen in der gleichen Straße, konnte zu Fuß zur Schule gehen und jeder kannte jeden, man hat aufeinander geschaut. Es gab viele Sportvereine, mehrere Kneipen, zwei Discos und der Bus in die nächstgrößere Stadt ging im 40 Minuten Takt. Das Leben war beschaulich.
Nach dem Studium habe ich 40 Jahre lang in Dubai gelebt. Auch diese Zeit habe ich hochgeschätzt. Ich habe Dubai zu einer Millionenstadt wachsen sehen und fand den Wandel faszinierend. Sonne, Strand, schicke Restaurants, Konzerte, internationale Schule für meine Kinder – eine Stadt der Superlative, hipp und jung. Die Probleme, die das Leben für Eltern und Kinder in einer Großstadt mit sich führt, habe ich aber ebenfalls hautnah erlebt. Ich kenne also beide Seiten, das Leben auf dem Land und in der Stadt.
Stadt oder Land – Wo ist es besser?
In Deutschland wandern im Moment Familien, oft Pandemie bedingt, in Scharen von der Stadt aufs Land. In der Stadt wird es mit Kindern eng, wenn Kita und Schule nicht in Betrieb sind, wenn Spielplätze gesperrt sind. Der Weg in die freie Natur ist dort oft weit, und die Mieten in den Großstädten steigen und steigen.
Fakt ist aber: Aktuell leben drei Viertel der Menschen in Deutschland in Städten. Und es werden immer mehr. Für junge Menschen ohne Familie ist das Freizeitangebot in der Stadt oft viel attraktiver als auf dem Land. Man kann zwischen mehreren Kinos auswählen und Kulturinteressierte kommen auf ihre Kosten. Ständig gibt es Veranstaltungen, Konzerte oder Festivals und man kann sich spontan mit Freunden treffen, ohne erst zu überlegen, wie man dorthin kommt und wann die letzte Bahn fährt. Die Auswahl an Restaurants oder Delikatessenläden ist groß – und der vegane Metzger um die Ecke nah.
Aber der Wohnraum in Städten ist knapp. Aktuell hat die Wohnungsnot z.B. in Berlin dazu geführt, dass eine Mehrheit der Berliner im Volksentscheid im September dafür gestimmt hat, private Wohnungskonzerne zu vergesellschaften.
Fakt ist aber auch: Wohnungsnot, steigende Mietpreise, Verkehr und Lärm treiben Menschen aus der Großstadt hinaus aufs Land. Dank zwei Jahren Pandemie müssen viele nicht mehr pendeln und es heißt „ab ins Homeoffice“. Unser Büro ist jetzt zuhause. Vieles spricht dafür: Homeoffice entlastet den Berufsverkehr. Man hat mehr Freizeit und genießt die Wohnung, das Haus, den Garten. Regionale Produkte, die Schule vor Ort und ein Arzt in der Nähe, das Kino im Nachbarort. Ein eigener Gemüsegarten und Einkaufen im Hofladen – das ist Lebensqualität.
Auch unsere Freizeitgestaltung ändert sich: Ob Filme oder Konzertstreaming, Yogatraining Wine-tasting oder Kochkurs – vieles spielt sich jetzt auf dem Bildschirm ab. Und apropos Joggen, im Dorf bin ich froh, nicht erst mit dem Bus ans Ende der Stadt zu fahren, um endlich ins Grüne zu gelangen. Da genieße ich den Vorteil, nach zwei Minuten aus dem Haus heraus schon am See oder im Wald zu sein.
Egal ob Stadt oder Land, mobil sein will jede und jeder!
Und hier liegt die Crux. Der öffentliche Nahverkehr auf dem Land muss besser werden. Neue Arbeitsmodelle machen zwar viele Wege überflüssig und unsere Bewegungsmuster verändern sich. Aber Car-Sharing, Leih-Fahrrad, E-Roller oder Straßenbahn, das alles finden wir hauptsächlich in der Stadt. Wer auf dem Land lebt, der darf nur davon träumen, denn hier kommt man ohne das eigene Auto nicht weit.
Die Politik, die Mobilität scheinbar ausschließlich für die Großstädte plant, versagt, wenn es um die Belange der Landbewohner geht. In meinem Dorf gibt es Orte, wo der Bus nur einmal am Tag fährt. Das Beispiel der Subvention von Lastenrädern wird hier leise belächelt. Die Grünen forderten im Wahlkampf, dass die Bundesregierung aus Klimaschutzgründen eine Million der Fahrzeuge mit je 1.000 Euro fördern solle. Das wären eine Milliarde Euro Steuergelder für Lastenfahrräder laut einer Recherche von „Hart aber Fair“. Wäre das Geld nicht besser im öffentlichen Nahverkehr auf dem Land investiert?
Digital auf dem Land?
Auch das Versprechen, dass Berufe mit zunehmender Digitalisierung im ländlichen Raum entstehen und dadurch neue, zukunftssichere Jobs entstehen, entbehrt im Moment jeglicher Grundlage. Die Digitalisierung im ländlichen Raum lässt weiterhin viel zu wünschen übrig. Die Corona-Pandemie hat gnadenlos offengelegt, wie groß der Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung auf allen Ebenen ist. Schulen ohne Wlan, Gesundheitsämter, die ihre Zahlen per Fax weiterleiten, Impftermine per Telefonhotline, eine Warn-App, die sich als weitgehend untauglich erwies, als sie dann endlich mal fertig war. In internationalen Rankings belegt die Bundesrepublik seit Jahren einen der hinteren Plätze. So findet sich Deutschland im „Digital Economy and Society Index“ (Desi) der EU-Kommission nur auf Platz 21 von 28 untersuchten Nationen.
Unsere Lebenseinstellung entscheidet mit, wo wir wohnen wollen.
Ein bisschen Land und Stadt steckt in jedem von uns. Laut dem Magazin „Schöner Wohnen“ nutzt ein Viertel der Stadtmenschen die Angebote der Stadt nicht, umgekehrt fährt ein Viertel der Landbevölkerung regelmäßig in die Stadt, um Theater, Konzerte oder Ausstellungen zu besuchen. Und die wenigsten von uns wählen ihren Wohnort aktiv, sondern werden durch Umstände dazu gebracht. So war es auch bei mir. Aber wer die Entscheidung hat, dem empfehle ich:
Und für alle, die sich fragen, wo ich heute wohne: Stadt oder Land? Die Mischung macht’s! Ein bisschen Dubai, ein bisschen Wien und im Sommer im Dorf in Hessen. 🙂