Die besondere Lebensgeschichte der Hannelore Elsner
Es gibt Bücher, die liest man gern wieder. Bücher, die uns nicht verlassen. So ergeht es auch Gastautorin Barbara Ziebell. Ihr eigenes Buch, das sie zusammen mit ihrer Schwester geschrieben hat, haben wir kürzlich auf Ohfamoos vorgestellt. Auch darin geht es um Frauen, um Schwesterbeziehungen. Das Buch und zugehörige Hörbuch, das Barbara hier heute vorstellt, ist anderer Natur und von einer Frau verfasst, die weltberühmt ist: Hannelore Elsner. 2022 wäre sie 80 Jahre alt geworden. Ihre Autobiographie begeistert unsere heutige Gastautorin sehr, hier ihre Rezension.
Schon viele Jahre begleitet mich das Hörbuch von Hannelore Elsner „Im Überschwang – Aus meinem Leben“. Dieses Hörbuch – von ihr selbst als Schauspielerin natürlich hoch professionell und auch sehr persönlich gesprochen – ist ein besonderer Genuss. Ich hole es immer wieder hervor.
Die berühmte Schauspielerin in diversen Rollen
Hannelore Elsner erzählt Ausschnitte aus ihrem Leben und von ihren, wie sie es nennt, „Lebensmenschen“.
Ihre Erinnerungen aus allen Lebensphasen schildert sie so nah und persönlich, als ereigneten sie sich gerade jetzt.
Als wäre sie jetzt noch einmal das kleine Mädchen, das den großen Bruder so heiß liebt und verehrt. Auch fühlt und spricht sie wieder wie die lebenshungrige, neugierige Jugendliche von 16 Jahren.
Mit großer Offenheit und unschuldig wie damals erzählt sie, wie sie trotz strenger körperfeindlicher Erziehung in verschiedenen katholischen Internaten ihren Körper und die Lust daran erforscht und später mit ihrer ersten Liebe ihre Sexualität entdeckt und lebt. Auch erleben wir mit ihr gemeinsam noch einmal die junge Frau, die wie zufällig in den Beruf der Schauspielerin hineinwächst. Die Schilderungen ihres Erwachsenenlebens mit wechselnden Lebenspartnern sind erfüllt von Respekt und Wertschätzung für jeden einzelnen und die gemeinsam erlebte und gestaltete Zeit.
Sich in all diese – bereits lange vergangenen – Erlebniswelten noch einmal so tief hineinversetzen zu können und die treffenden Worte dafür zu finden, ist eine Kunst und Gabe. Hannelore Elsner hat diese Gabe und diese hat sie sicher auch zu der erfolgreichen Schauspielerin gemacht, die sie war. Auch das schildert sie, wie sie zu den Charakteren und Menschen, die sie spielt, geradezu erst einmal wird. Wie sie in ihre Identität hineinschlüpft, um sie überzeugend und kohärent darstellen zu können. Und sie erzählt und schreibt dieses Buch, wie sie schauspielert – intensiv, leidenschaftlich, ja überschwänglich, mit Tiefe und Hingabe und auch deutlich, kompromisslos, bedingungslos.
Hannelore Elsner spricht im Hörbuch vielen Frauen aus der Seele
Hannelore Elsner wollte immer alles gut, nein „perfekt“ machen „… die beste Geliebte, die beste Ehefrau, die beste Mutter, die beste Schauspielerin, die beste Versorgerin, alles auf einmal sein – und ich war es auch irgendwie. Aber es war dermaßen anstrengend, das kann man nicht lange durchhalten.“
Damit schreibt sie vielen Frauen aus der Seele! In der Frauenemanzipationsbewegung der 80er war sie nicht aktiv beteiligt und sie bezeichnet sich auch nicht als Feministin. Und dennoch:
Wir erleben sie als eine starke, emanzipierte Frau, die oft auch sehr eigenwillig ihren Weg geht.
Für mich ist sie damit auch eine Zeitzeugin und ihr Buch ein Zeugnis des Zeitgeistes der in den letzten Kriegsjahren geborenen und in der Nachkriegszeit aufgewachsenen Frauengeneration. Ich selbst – in den 50er Jahren geboren – kann mich ebenfalls noch gut daran erinnern. Auch bei vielen Frauen, die diese Zeit als Kind erlebt haben und an unseren Workshops teilnehmen, ist dieser Geist noch lebendig spürbar. (Wenn du zur jüngeren Generation gehörst und nacherleben möchtest, was ich meine: Ich empfehle auch die ZDF-Historienserie „Ku’damm 56, 59 und 63“.)
Hannelore Elsner widmet dieses Buch ihrem Sohn Dominik, dessen dramatische Frühgeburt und ihr Kampf um sein Überleben großen Raum einnimmt. Die besondere und sehr enge Mutter-Sohn-Verbindung begleitet und stärkt beide ein Leben lang. Zu ihrer eigenen Mutter hatte sie zeitlebens ein sehr gespaltenes Verhältnis voller Fragen, Unverständnis und Fremdheitsgefühle.
Wichtiger, inniglich verbunden und nährend war die Beziehung zu ihrer Oma. Und auch ihre Erinnerungen an den früh verstorbenen Vater sind sehr liebevoll, fast verklärend.
Die „ewige“ Liebe zum großen Bruder Manfred
Hannelore Elsner hatte zwei Brüder. Zärtlich beschreibt sie ihre „ewige“ Liebe zu ihrem „großen“ Bruder Manfred, den sie im Krieg verlor, als sie noch keine 3 Jahre alt war. Und obwohl sie damals noch so klein war, hat sie diese tiefe Verbundenheit zu ihm nie vergessen und lebenslang Sicherheit daraus gezogen. Dieses enge Bruderverhältnis und das zu ihrem Vater bzw. das, was sie in ihrer Erinnerung daraus gemacht hat, waren ihr inneres Zuhause, ein wichtiges Fundament für die Herausforderungen des weiteren Lebens.
In diesem nachdenklichen „Selbstgespräch“, erkenne ich die Klugheit und Weisheit einer Frau, die dieses Buch mit Ende 60 schreibt.
Mich beeindrucken ihre so präzise Beobachtungsgabe und ihre weiche, poetische Sprache. Sie geht bedacht, achtsam, versöhnlich und ja, auch humorvoll mit dem Erlebten um, ebenso mit ihren „Lebensmenschen“ – und vor allem auch mit sich selbst! Ich spüre kein Bedauern, keinen Erklärungszwang oder gar Rechtfertigung, sondern ich verstehe es als ein tiefes In-sich-gehen, eine ehrliche Selbstreflexion.
Wie Hannelore Elsner das Älterwerden bewusst erlebt
Nicht zuletzt berührt mich in ihrem Buch, dass ich sie dabei begleiten kann, wie sie ihr Älterwerden bewusst erlebt. In vielem scheint es ihr damit so ergangen zu sein wie mir heute: Wenn Wertschätzung und Dankbarkeit für das, was ich erleben und erfahren durfte, da ist, dann kann ich das wache, bewusste Älterwerden auch als Glück empfinden.
Ich bin Hannelore Elsner unendlich dankbar für dieses Buch und dass sie es selbst als Hörbuch eingesprochen hat. Es zeigt und ermutigt, wie lohnend es ist, sich die eigenen Erinnerungen wachzurufen. Und es zeigt auch, dass eine tiefe, ehrliche Selbstreflexion versöhnlicher, weiser und auch glücklicher machen kann. Hannelore Elsner wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden.Sie verstarb mit 76 Jahren im April 2019. Ihr Sohn hat sie dabei begleitet und ihr am Sterbebett aus ihrem Buch vorgelesen.
Ich habe dieses Buch, vor allem das Hörbuch, bereits allen meinen Freundinnen geschenkt und kann es jeder Frau nur wärmstens und vorbehaltlos empfehlen.
Gastautorin Barbara Ziebell gibt als freiberufliche Bildungsreferentin in der Erwachsenenbildung Fortbildungen für Pädagogen und Lehrende und sie ist als Coach in der lösungsorientierten Beratung tätig. Zusammen mit ihrer Schwester Cordula Ziebell führt sie seit 2010 erfolgreich Geschwister-Coachings und Schwestern-Workshops durch – deutschlandweit einmalig.
2021 erschien ihr Buch „Schwesternbande – Wie lebendige Schwestern-Beziehungen gelingen“. Hier mehr über dieses Praxisbuch für Schwestern.
Ich war nie ein ausgesprochener Fan von Hannelore Elsner, aber diese Rezension macht mich sehr neugierig und ich frage mich, ob ich hier nicht völlig falsch gelegen habe. Danke für diesen tollen Beitrag. Das Buch werde ich lesen.
Ein sehr schöner Gastbeitrag.
Ich habe das Hörbuch als Barbara’s
Freundin ebenfalls geschenkt bekommen
und fand es auch sehr inspirierend.
Eine fantastische Frau, die ihren Weg gegangen ist, ohne auf Konventionen Rücksicht zu nehmen.