So geht Verzicht – ganz selbstverständlich!
Viele Verbraucher stellen sich um – weil sie müssen, denn vieles wird teurer, zum Beispiel Lebensmittel. Inflation treibt Verbraucher zum Verzicht, schrieb kürzlich der Bayrische Rundfunk (BR24). Auf was aber können wir verzichten, ohne dass es uns schadet – ja, vielleicht sogar guttut?
Schon 2019 haben wir Interviews zum Thema Verzicht geführt. Darin erklärt uns Michaela Steidl, wie sie das Verzichten bewusst gelernt habe – und es sie ansporne!
Und die besonders in Köln bekannte Olga Witt („Tante Olga“) sagte ohfamoos im gleichen Jahr: „Obwohl ich auf so viele Dinge verzichte, weil ich sie nicht konsumieren möchte, bin ich deutlich zufriedener geworden. Weil ich mich nicht den ganzen Tag damit beschäftige, was ich nicht habe oder was andere haben. Ich habe alles, was ich brauche, weil alles da ist.“
Wir haben nachgehört – ist das heute noch immer so? Was hat sich verändert? Wann ist Verzicht leicht möglich, was fehlt irgendwie doch?
Hier unser I n t e r v i e w m i t M i c h a e l a S t e i d l , die mit ihrem Sohn in Neustadt an der Weinstraße lebt:
Michaela, 2019 hast Du viele Entscheidungen zum Verzicht getroffen – welche haben bis heute Bestand?
Michaela Steidl: Ich habe immer noch kein Auto. Und ich verzichte noch immer, wo möglich, auf Kunststoffverpackungen. Das mit dem Zuckerverzicht lebe ich nicht mehr so konsequent wie vor drei Jahren.
Allerdings haben sich damals viele Gewohnheiten etabliert, die nachhaltig zu weniger Zuckerkonsum führen. So findet sich in meinem Kühlschrank nur noch Naturjoghurt statt fertigem Fruchtjoghurt, und Zucker beim Backen oder Kochen wird hier immer noch häufig durch Bananen, Datteln oder Apfelbrei ersetzt. Gar nicht mal so sehr, weil ich noch den Zuckerverzicht im Hinterkopf habe, sondern weil ich vieles gar nicht mehr so süß mag.
Natursüße reicht oft völlig aus, hat ihren eigenen Charme 🙂
Das bedeutet, den Vorsatz „Keine Süßigkeiten mehr“ hast Du aufgegeben?
Ja, komplett zuckerfrei lebe ich nicht mehr. Ich habe gemerkt: Ganz ohne Schokolade oder Kuchen möchte ich nicht leben.
Alles hat angefangen mit einer Haarseife vom Wiener Naschmarkt, welche Produkte kaufst Du heute in 2022?
Ich kaufe sehr gern bei kleinen Start-Ups, die sich auf die Fahne geschrieben haben, umweltverträgliche Produkte zu vermarkten. So findet sich in meiner Dusche seit über zwei Jahren nur noch ein „Duschbrocken“, für Körper und Haare.
Flüssigseife stelle ich aus dem Pulver von Seifenbrause her.
Zähne putze ich mit den Denttabs, die es zwischenzeitlich auch in jedem DM zu kaufen gibt, und mit einer Bambus-Zahnbürste von pandoo. Toilettenpapier, Taschentücher und Küchenpapier kaufe ich nach wie vor in Großpackungen von Smooth Panda. Und Waschmittel kaufe ich bei Waschkampagne.de im Baukastensystem.
Kaufst Du auch in Unverpackt-Läden oder auf Märkten?
Ja. Haferflocken, Nudeln, Trockenobst, Kaffee – all das kaufe ich mittlerweile gern im Unverpacktladen, der 2020 in Neustadt eröffnet hat. Obst und Gemüse versuche ich weitgehend auf dem Wochenmarkt einzukaufen. Manchmal siegt aber hier die Bequemlichkeit und ich kaufe dann doch im Supermarkt.
Erstellst Du viele Produkte immer noch selbst?
Das habe ich tatsächlich weitgehend aufgegeben. Zwar habe ich immer noch Natron, Zitronensäure und Soda in Großpackungen zuhause und mixe mir mal das Pulver für eine Ladung Wäsche oder einen Gang mit der Geschirrspülmaschine, wenn mir die Vorräte ausgegangen sind, aber ich mache das nicht mehr so konsequent wie vor drei Jahren, sondern greife doch häufiger auf fertige Produkte zurück.
Wo bist Du heute aber vielleicht auch konsequenter als vor drei Jahren?
Vieles ist einfach zur Gewohnheit geworden. Ich würde das nicht mal unbedingt Konsequenz nennen.
Fleisch aus Plastikverpackungen ekelt mich inzwischen regelrecht, das kaufe ich schon allein deswegen nicht mehr.
Aber ich bin nicht dogmatisch: So mag mein Sohn weder Bambuszahnbürste noch Denttabs – also kaufe ich für ihn auch nach wie vor Zahncreme und Plastikzahnbürste 😉
Konsequent bist Du jedoch beim Autoverzicht …
Ja, und es fehlt mir auch kaum. Dafür habe ich jetzt einen Roller mit E-Motor für alle Stecken, die ich lieber motorisiert zurücklege. Im Sommer gehe ich sehr viel zu Fuß – die Innenstadt ist von mir in zehn Minuten fußläufig erreichbar – oder ich fahre mit dem Rad.
Regen stört Dich nicht?
Für Regentage bietet sich das Angebot „Mobility on Demand“ oder kurz „MoD“ super an – eine Art Ruftaxi mit Pooling. Super Sache: Über die App bestellt, maximal 200 Meter zum nächsten Haltepunkt laufen, maximal 200 Meter vom Haltepunkt zum Ziel laufen. Dafür nimmt man kleinere Umwege in Kauf, wenn unterwegs noch andere Fahrgäste aufgenommen und zu ihrem Ziel gebracht werden.
Nutzt Du auch Carsharing?
Ja, denn es gibt hier außerdem in der Stadt ein tolles Carsharing-Angebot. Ich habe fünf Autos im direkten Umreis von 1,5 km zur Verfügung, so dass eigentlich immer eines greifbar ist, wenn ich eines brauche.
Das heißt, Du vermisst ein eigenes Auto nicht mehr, oder?
Doch, im Winter bei schlechtem Wetter. Denn mit dem Roller bei Regen ist blöd …und mit dem MoD nur mal eben eine Packung Milch im Supermarkt holen auch irgendwie ineffizient. Dann fluche ich schon manchmal und wünschte mir, ich könnte in der Garage in ein beheiztes Auto steigen und damit bis vor die Tür vom Supermarkt fahren 😉
Du hast in unserem letzten Interview gesagt: „Es ist alles eine Frage der Überwindung.“ Was kostete Dich besonders viel Überwindung, was ging einfach?
Ich glaube, das ist vorbei. Überwindung brauche ich gar keine mehr. Wie schon erwähnt:
Vieles ist zwischenzeitlich einfach zur Selbstverständlichkeit geworden.
Vielen Dank, liebe Michaela!
Michaela Steidl, Jahrgang 1975, lebt und arbeitet in der Pfalz (Neustadt an der Weinstraße). Die allein-erziehende Mutter eines Teenagers findet man in ihrer Freizeit entweder in ihrem Garten oder kletternd in der Boulderhalle. Viele Jahre hatte sie Führungsverantwortung für in der Spitze über 20 Mitarbeiter in drei Ländern, doch das Bankengeschäft füllte sie auf Dauer nicht aus. Anfang 2011 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit, zunächst im Bereich der virtuellen Assistenz. Schnell begriff sie, dass ihre wahre Leidenschaft das Gestalten von Websites mit WordPress ist: Seit 2012 ist sie Inhaberin des WordPress Bistros.