In Paris auf den Spuren der Evolution
Es gibt viele Gründe, warum man Paris besuchen sollte. Sonja war mit ihrer Schwester und ihrer Nichte, einer Paläontologie-Studentin, dort – jedoch nicht um die wohlbekannten Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Sie waren auf den Spuren der Evolution der Erde. Ein Bildungstrip par excellence!
Paris ist eine Stadt mit einer reichen Geschichte und Kultur, die bis in die Antike zurückreicht. Es ist die Heimat von einigen der berühmtesten Museen der Welt wie dem Louvre und dem Musée d’Orsay. Aber weder diese Museen noch die berühmten Wahrzeichen wie der Eiffelturm oder der Arc de Triomphe sind unser Ziel.
Wohnen im Quartier Latin
Unsere Unterkunft in der Rue Broca im Quartier Latin hätte meine Schwester nicht besser aussuchen können. Dieses historische Viertel in Paris, das sich auf der linken Seite der Seine befindet, ist bekannt als das intellektuelle und kulturelle Zentrum der Stadt. Der Name leitet sich aus der lateinischen Sprache ab, die von den Gelehrten gesprochen wurde, die dort im Mittelalter und in der Renaissance studierten.
Und so befinden wir uns inmitten einer Vielzahl von ganz wunderbaren kleinen Restaurants rund um den Place Saint Médard. In der Rue Monge sind die „Terrasses d’hiver“, die Winter Terrassen, gut mit Einheimischen gefüllt, die dort ihren Kaffee trinken. Touristen begegnen uns kaum, aber der Frühling ist auch noch nicht ganz in Paris eingezogen. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Quartier Latin gehören die Sorbonne, die Sainte-Geneviève-Bibliothek, das Panthéon und das beeindruckende Muséum national d’histoire naturelle, das Naturkundemuseum im Jardin des Plantes. Und genau dieses große Museum ist unser Ziel.
Jardin des Plantes
Das Muséum national d’histoire naturelle ist Teil des Jardin des Plantes, einem der ältesten botanischen Gärten Europas, der im Jahr 1626 gegründet wurde. Das Museum selbst wurde im Jahr 1793 eröffnet und ist das älteste Museum in Frankreich, das ausschließlich der Naturgeschichte gewidmet ist. Seine wissenschaftlichen Sammlungen umfassen mehr als 55 Millionen Exponate – die drittgrößte Sammlung der Welt. Zur Zeit seiner Gründung war es für lange Zeit die wichtigste Naturforschungs- und Bildungseinrichtung der Welt, deren Lehrstühle von den bedeutendsten Biologen und Naturwissenschaftlern besetzt waren.
Kein Wunder, dass meine Nichte unbedingt hierhin wollte. Mascha studiert Paläontologie und da während Corona ein Besuch dieses Museums seitens ihrer Universität abgesagt wurde, sind wir jetzt hier.
Es gibt im Jardin des Plantes gleich mehrere Museen, ich beschränke mich in diesem Beitrag auf die zwei großen.
Grande Galerie de l’Evolution
Unser erster Besuch gilt der Grande Galerie de l’Evolution, einem Museum für Naturgeschichte das im Jahr 1889 eröffnet wurde. Dieses Museum ist Teil des Naturkundemuseums und ist der Evolution und der Artenvielfalt gewidmet. Die hier ausgestellten Exponate sollen die Geschichte des Lebens auf der Erde illustrieren.
Pünktlich um 10 Uhr stehen wir vor dem prächtigen Bau und freuen uns, weil es keine Warteschlangen gibt. Der Eintrittspreis ist auch sehr verträglich. 10 Euro für Erwachsene und Mascha mit ihrem Studentenausweis hat freien Eintritt.
Unter Maschas Führung staunen wir schon gleich im Eingangsbereich. Hier hängt das riesige Skelett eines Glattwals über uns. Die meisten großen Wale zählen zu den Bartenwalen, darunter auch der Blauwal, das größte lebende Tier der Erde. Alle Bartenwale werden größer als sechs Meter und Mascha weiß zu berichten, dass die Barten der Wale früher zu Korsetten verarbeitet wurden.
Wir beginnen unseren Rundgang und nach zwei Stunden sind wir erst mal erschöpft. Das Museum verlangt uns viel ab, denn die Beschriftungen der Exponate sind nur in Französisch und Lateinisch. Mein Sprachtraining mit Duolingo kommt mir hier wahrlich zugute. Und ich bin dankbar, dass ich jetzt schon seit über einem Jahr Französisch per App lerne und mir das Lesen der Texte keine große Mühe bereitet. Im ersten Stock des Gebäudes, auf der Höhe der Karawane, finden wir auch prompt ein kleines Café und ruhen uns erst mal aus, bevor wir die anderen Stockwerke besuchen.
Bedroht oder schon ausgestorben?
Die Galerie zeigt auch die Bedeutung von Naturkunde und Naturschutz und wie eng diese beiden Themen miteinander verbunden sind. Beeindruckt hat mich speziell der Saal, der den bedrohten und schon ausgestorbenen Arten gewidmet ist.
Zum Beispiel ist hier ein Przewalski Pferd zu sehen. Diese Pferderasse zählt zu den bedrohten Arten. Zu sehen sind darüber hinaus immens viele Affenarten, die heute schon vom Erdboden verschwunden sind. Nach mehr als vier Stunden sind wir platt. Die vielen Eindrücke und Informationen auf Französisch müssen wir erst einmal verarbeiten. Es war ein anstrengender Tag, aber ich kann das Museum jedem empfehlen, der sich für Naturgeschichte und Biologie interessiert.
Galerie de Paléontologie et d’Anatomie Comparée
Das zweite Museum ist die Galerie de Paléontologie et d’Anatomie Comparée (Galerie für Paläontologie und vergleichende Anatomie). Auch dieses Museum befindet sich im Jardin des Plantes, gleich gegenüber vom Gare d’Austerlitz. Der Eintritt beträgt auch hier 10 € für Erwachsene und Schüler und Studenten haben freien Eintritt.
Diese Galerie ist eine der ältesten und renommiertesten Institutionen ihrer Art und verfügt über eine unfassbare Sammlung von Fossilien, Skeletten und anderen anatomischen Präparaten. Sie beherbergt mehrere Millionen Sammlungsstücke, darunter viele ausgestorbene Tierarten, Fossilien, Mineralien und Pflanzen. Die Galerie de Paléontologie et d’Anatomie Comparée wurde 1898 eröffnet und hat sich seitdem zu einem wichtigen Ort für wissenschaftliche Forschung und Lehre entwickelt.
Hier suchen wir nach Ähnlichkeiten und Unterschieden der Arten. Das ist die ganze Kunst der vergleichenden Anatomie, um die Funktionsweise und Evolution der lebenden Welt besser zu verstehen.
Skelette groß und klein
Wir bleiben neben einem Wal stehen und Mascha erklärt uns die Flosse des Wals, die unserer Hand gleicht. Sie weist fünf Finger auf, hat Mittelhandknochen und ist relativ groß. Stammen wir vom Wal ab? Mascha kennt sich auch hier bestens aus und erklärt:
Die Knochen eines Walarms sind die gleichen wie die in unserem Arm. Wie wir besitzen Wale auch fünf Finger. Der Unterschied besteht darin, dass die Knochen des Wals breit und abgeflacht sind, um eine große Fläche zu stabilisieren, die als Flosse fungieren kann. Wir hingegen haben einen langen Unter- und Oberarmknochen und kleine Hände, weil wir als Primaten viel klettern und greifen.
Der Rundgang durch die einzelnen Stockwerke lässt uns immer wieder staunen. Speziell die Skelette der ausgestorbenen Arten sind bemerkenswert. Zu den bekanntesten Exponaten des Museums gehört das Skelett eines Blauwals und das Skelett eines Säbelzahntigers.
Dieser räuberische Fleischfresser ist die größte Katze, die auf dem Planeten gelebt hat. Es war über zwei Meter lang und konnte bis zu 400 kg wiegen. Sein Skelett kann man hier sehen.
Auch das Wollhaarmammut ist imposant. Das Exemplar in der Galerie ist das Geschenk eines Grafen und das Museum ist seitdem das einzige europäische Museum, das ein ganzes Wollhaarmammut Skelett besitzt.
Mascha und die Foraminiferen
Im obersten Stock schaut sich Mascha verzückt um, denn von der Decke hängen vergrößerte Foraminiferen. Foraminiferen sind winzig kleine Einzeller, von denen viele Kalkschalen bilden. Die ältesten bekannten Fossilien von Foraminiferen stammen aus dem Kambrium, sind also rund 560 Millionen Jahre alt und waren das Thema von Maschas Bachelorarbeit. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Forschers Alcide d’Orbigny, der diese winzigen Lebewesen 1826 als eigenständige systematische Gruppe definiert hat, sind hier ausgestellt.
Auch meine Schwester und ich sind von den wissenschaftlichen Arbeiten, die hier akribisch zusammengetragen sind, sehr angetan.
Mein Fazit: Für beide Museen sollte man sich viel Zeit nehmen. Die Entwicklung unserer Erde und deren Lebewesen wird uns hier beeindruckend vorgeführt und wird auch für Laien verständlich erklärt. Leider gibt es im Paläontologischen Musem kein Café, in dem man sich zwischendurch ausruhen kann. Grund genug, den Abend in einem netten Bistro ausklingen zulassen, das wir ganz in der Nähe finden.
Ich hoffe, der Beitrag und die Bilder waren interessant und haben Dir gefallen. Wenn Du zu den anderen Museen und der Sonderausstellung über Katzen noch etwas erfahren möchtest, dann schreibe das bitte in die Kommentarspalte.
Fotos: Sonja Ohly