Das Rezept gegen die Geschwindigkeit
Unverpackt einkaufen – 2023 fast ein alter Hut. Und die Branche hat schwierige Zeiten hinter sich. Wer wollte in der Coronazeit schon unverpackt einkaufen? Machte man nicht einen extragroßen Bogen um alles, was mit Kontakt zu tun hatte? Waren anfassen und dann nachher essen? Viele Unverpackt-Läden haben es nicht geschafft. Elke hat ein Kölner Geschäft ein wenig begleitet, ist selbst Kundin dort und hat Silke Gimnich einmal wieder besucht.
Schon im Sommer 2019 habe ich über Tante Olga in Köln geschrieben, hatte die bekannte Kämpferin der Zero Waste-Bewegung im Interview. Seitdem verfolgen wir von ohfamoos auch diese Szene immer mal wieder.
Zuletzt in der Weihnachtszeit 2022, als ich auf der bekannten Aachener Straße in Köln einkaufen war und Silke Gimnich, die Inhaberin des dortigen Unverpacktladens SILVA mir, damals nicht lächelnd, sagte: „Meine Umsätze sind seit dem 24. Februar 2022 eingebrochen und ich kann partout nicht sagen, wann sich das wieder ändert.“ (Mehr über dieses Interview hier.)
Ehrlich gesagt dachte ich damals auch: Das geht nicht gut, das wird die sympathische blonde Frau nur schwer packen. Denn Silke hatte angefangen, kurz bevor Corona ausbrach – öffnete also in der wohl schlechteste Zeit für unverpacktes Einkaufen ihr Geschäft, das sie seitdem liebevoll und professionell ausgebaut hat.
Wie unkten viele Medien über unverpackt einkaufen?
Alles würde in der Unverpackt-Szene zusammenbrechen, hieß es fast unisono. Selbst der nicht Schlagzeilen verdächtige Deutschlandfunk Kultur meldete mit Verweis auf den Unverpackt-Verband: In Deutschland zähle man knapp 500 Unverpackt-Läden, die in diesem Verband zusammengeschlossen sind. Und konstatierte: „Haben im gesamten vergangenen Jahr 14 Unverpackt-Läden in Deutschland geschlossen, waren es allein in den ersten drei Monaten 2022 schon 13.“
Silke Gimnich und ihr Laden haben aber überlebt – und da mich das freut, habe ich Silke wieder interviewt. Mich mit ihr vor ihren Laden gesetzt und das Handy für die Aufnahme gezückt.
Silke, 2022 war ein schweres Jahr, Schlagzeilen wie „Die Biobranche steht vor ihrem Ende“ machten die Runde. Dich und Deinen Shop gibt es noch – läuft’s wieder an?
Silke Gimnich: Noch nicht ganz. Während der Coronazeit haben sich die Menschen sehr umgestellt, das Leben ist noch schneller geworden. E-Commerce und Bequemlichkeit, beides spielt eine Rolle und alles scheint noch hektischer, noch digitaler.
Machen sich die Leute auch weniger Mühe vielleicht?
Ich glaube das, ja. Viele sind nicht mehr bereit, bewusst runterzuschalten – FÜR einen Einkauf, bei dem sie mitkriegen, was um sie herum eigentlich alles so passiert.
Wie reagierst Du darauf? Welches Rezept hast Du gegen die Geschwindigkeit?
Ich berate intensiv und höre zu. Ich gehe direkt auf die Bedürfnisse der Kunden ein. Und ich rede mit meinen Kund*innen.
Plauder- oder Schlenderkassen? „Mega!“
Kennst Du die sogenannten Schlender- oder Plauderkassen im Supermarkt?
Finde ich super! Habe ich aus den Niederlanden gehört, das ist mega, vor allem für Leute, die alleine wohnen, z.B. ältere Menschen, die einsam sind. Ich habe diverse Kunden, die hier vorbeikommen und den Plausch genießen und genau dafür nehme ich mir Zeit.
Du hast auch die Produktpalette angepasst, oder?
Ja. Zum Beispiel führe ich jetzt auch Produkte für die, die schnell rein kommen und wieder schnell raus wollen. Deshalb habe ich Fertigprodukte in Pfandgefäßen aufgenommen – die nimmt man, zahlt und fertig. Verschiedene Müslisorten habe ich, die ich auch noch ausbaue. Einfach fertig und keiner muss mehr selbst zusammenstellen. Man kann, aber muss nicht 🙂
Gute Ideen – ich habe auch Kaffee gesehen?
Genau, Coffe to go oder auch hier zum Trinken. Dazu kommen bald Kaltgetränke. Alles für die, die reinkommen und gern One-Stop machen.
Hinter Dir ist ein Plakat mit einer Veranstaltung, das machst Du jetzt auch?
Ich mache verschiedene Themenabende. Zum Beispiel eine Veranstaltung zum Thema Aloe Vera oder Pfeffer, im Winter werden wir lernen, eigenes Porzellan zu stechen und zu bemalen. Denn das mache ich schon länger selber, man mischt zwei, drei Zutaten zusammen, knetet die ordentlich, hält das kühl und frisch und das gibt es dann samstags nach Ladenschluss. Vor Weihnachten was selbst zu basteln, das müsste doch gut passen.
Eine Kundin kommt vorbei, ich sage ihr: „Sie ist sofort fertig, warten Sie“ – und Silke Gimnich will schon aufstehen, da sagt die nette Dame: „Alles gut, ich komme nachher, möchte den leckeren milden Kaffee holen, wissen Sie“.
Silke, ich fasse zusammen: Du bis aus der Coronazeit mit ganz vielen neuen Ideen gestartet und die tragen auch schon erste Früchte. Richtig?
Richtig. Das 1. Feedback ist auch schon positiv.
Feedback von alten oder auch schon wieder neuen Kunden?
Ich habe viel Stammkundschaft, Gott sei dank. Die hält mich hier. Und die neuen kommen inzwischen wieder. Die Leute sind wieder neugierig geworden, haben wieder Kapazität im Kopf, etwas Neues auszuprobieren.
Hier findet Ihr Silva – unverpackt genießen
Fotos: Elke Tonscheidt
Apropos Geschwindigkeit, Sonja liebt schon lange die Langsamkeit!