Station am Staffelsee
Eigentlich wollte Elke Tonscheidt über den Tegernsee schreiben. Dorthin zieht es sie schon als Kind, denn ihre Großeltern – vor allem ihr Vater – lieb(t)en diesen See sehr. Dieses Jahr jedoch macht sie, zusammen mit Schwester und Sohn, vorab Station am Staffelsee. Und verliebt sich spontan ins Blaue Land …
Beide Seen, der Tegern- und der Staffelsee, liegen nicht weit entfernt von der bayerischen Landeshauptstadt. Dort, in München, habe ich zehn Jahre gelebt. Und schon als Studentin folgte ich den Spuren meiner Oma und meines Vaters, die stets gern den Tegernsee besuchten.
Murnau und der Staffelsee
Als ich dann 2000 anfange in München zu arbeiten, ist sonnenklar: Ausflüge zu den bayerischen Seen gehören ab sofort zu meinem „Pflichtprogramm“. Denn selbst „der Wahl-Münchner“ versucht, irgendwie immer zu einem der bayerischen Seen zu kommen.
Allein der Blick auf der Landtraße hinab ins Tegernseer Tal, wenn plötzlich die Berge auftauchen, ist umwerfend schön.
Nun bin ich wieder da, im bayerischen Voralpenland – und zusammen mit Sabine und Paul entdecke ich einen zunächst für mich ganz „neuen“ See: den Staffelsee. Denn während ich in meiner Münchner Zeit nicht nur zum Tegernsee, sondern gern und oft auch zum Starnberger-, Ammer- oder Chiemsee fuhr und auch der Walchensee ein Lieblingsziel war: Zum Staffelsee zog es mich interessanterweise nicht …
Warum, das weiß ich nicht, und als ich nun endlich im zarten Alter von 56 Jahren Murnau und Umgebung kennenlerne, bin ich sofort begeistert: Das blaue Land leuchtet wirklich so oft ganz blau, in allen möglichen Schattierungen.
Und es stimmt, was die Ammergauer Alpen GmbH auf ihrer Website, die viele brauchbare Infos gibt, schreibt:
Die Region rund um den Staffelsee ist pure Inspiration.
Schon der – bewusst kurze – Abstecher ins Murnauer Schlossmuseum, wir sind mit einem 12jährigen Kind unterwegs, lässt uns gern verzaubern. Hier finden sich viele Werke der Künstlerin Gabriele Münter sowie der mit ihr befreundeten Künstler der „Neuen Künstlervereinigung München“ und des „Blauen Reiter“. Wir sehen Arbeiten von Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin, Alexej Jawlensky oder Franz Marc, um nur einige zu nennen. Und immer wieder wird klar, wie sehr sie selbst ihre damalige Umgebung nutzen, um ihre Kunst, die expressive Malerei, zu fertigen.
Vielleicht kein Geheimtipp, aber wunderschön, um bei einem leckeren Drink den Sonnenuntergang zu erleben: Das Café und die Bar im Schlossgarten gleich nebenan.
Faszinierende Natur und das blaue Licht
Was meine Schwester und mich vor allem fasziniert, sind die Natur und das Licht. Einzig gestört wird diese Idylle durch das gefühlt ständige Pfeifen der Regionalbahnen. Sie warnen in regelmäßigen Abständen an kleinen, manchmal winzigen unbeschrankten Bahnhöfen … auch nachts. Daran wird man sich gewöhnen, klar, aber wir finden es zumindest … erwähnenswert 🙂
Und so radlen wir fröhlich durchs blaue Land – oft direkt am Staffelsee-Ufer, den wir einmal auch mit einem Treetboot „unsicher“ machen.
Jetzt, im Herbst, treffen wir nur wenige Touristen. Es ist fast einsam, immer sonnig und in der Luft liegt eine Leichtigkeit des Seins. Vielleicht auch deshalb, weil meine „beste Schwester“ so fröhlich ist und mein Sohn sich von der Patentante gern anstecken lässt. Grazie, la mia sorella.
Auch die Gasthöfe, die wir ansteuern – bei den Tonscheidts gibt’s immer etwas Gutes auf’n Tisch – gefallen uns durchweg. Besonders idyllisch sitzen wir im Biergarten Ähndl. Hier genießen wir den 1. Kaiserschmarrn, schauen ins Murnauer Moos und palavern mit einem plötzlich auftauchenden Geschwisterpaar aus dem Rheinland, das uns vor Lachen die Tränen kommen.
Merkt Ihr, wie sehr mich das Blaue Land in den Bann gezogen hat? Denn eigentlich wollte ich ja auch vom Tegernsee schreiben, DEM See der Familie Tonscheidt, zu dem es uns seit Jahrzehnten zieht…
Die Villa Riedwies am Staffelsee
Nach nur fünf fulminanten Tagen in Murnau wage ich jedoch schon jetzt die Behauptung: Hier am Staffelsee bin ich nicht das letzte Mal gewesen – und das liegt auch an der Künstlerin Stefanie Speermann, bei der wir eine Wohnung in ihrer Villa Riedwies gebucht haben.
Ein Haus wie ein Schloss. Eine Parkanlage mit Pferden und Ziegen. Eine Kunststätte für regelmäßige Aktionen mit Gastkünstlern in Form von Ausstellungen, Konzerten und Autorenlesungen – die in einem Zelt stattfinden, das wie ein altes Zirkuszelt inmitten eines grünen Paradieses liegt. Drumherum nur saftige Wiesen, durch die Katzen schleichen.
Buchen kann man diese location auf Airbnb. Und über Stefanies Kunst lesen kann man im Kunstmagazin MUNDUS, das der bildhauerischen Arbeit dieser Frau schon 2021 das Künstlerporträt „Freiheit in meiner Sprache“ gewidmet hat. Dort liest man über PEGASUS:
„Mit Pegasus steht mitten im Blauen Land, Heimat der Künstlergruppe Blauer Reiter, nach hundert Jahren erneut ein Pferd im Mittelpunkt einer künstlerischen Arbeit. Franz Marc würde das gefallen.“
Was auch uns gefällt 🙂 Und so fotografieren wir Pegasus, das geflügelte Pferd, oft und bei fast jeder Tages- und Nachtstimmung.
Mein Fazit nach fünf Tagen Staffelsee: Ja, der Tegernsee bleibt eines meiner bevorzugten Ziele in Bayern – aber der Staffelsee hat mich enorm berührt.
Die Menschen, mit denen wir dort in Kontakt kamen, waren sehr freundlich und ebenso natürlich wie ihre Umgebung.
Am Staffelsee geht es sowohl geruhsam als auch ungeheuer kreativ zu, eine gute Mischung! Hier lässt sich etwas bewegen.
Was sich am Tegernsee massiv verändert
Und dagegen der Tegernsee? Was bewegt sich dort? Ein See, an dem sich seit Jahren mächtig viel verändert. So sagt mir eine sehr freundliche Münchnerin, die seit Jahrzehnten in Rottach-Egern wohnt, der See und die ihn besuchenden Menschen hätten sich massiv gewandelt. Eigentlich lebe sie nur noch „hier draußen“, weil sie die Natur so liebe.
Die Dame mit dem langen blond-weißem Zopf kennt sich gut aus, vermisst die Einheimischen nicht nur beim Einkauf vor Ort. Schnell sind wir uns beim spontanen Kaffee-Plausch einig:
Mit dem Bau der großen, teuren Luxushotels war es mit der Idylle am Tegernsee eigentlich vorbei. „Selbst die Verkäuferinnen verkaufen in den Boutiquen nicht mehr so gerne“, spürt die rüstige Dame. Vieles ist unerschwinglich teuer geworden, an unserem Tisch auf der Seestraße wandeln (vermeintlich) exquisit gekleidete Menschen vorbei. Als sie geht, packt sie ihre Handtasche in ihr Fahrradkörbchen und schiebt lächelnd von dannen. Sie hat früher, höre ich beim Bezahlen, in der hiesigen Touristeninformation gearbeitet …
Nur noch das zum Thema Staffel- und Tegernsee: Als wir einmal den Bus nach Murnau nehmen, zahle ich beim freundlichen Busfahrer für meinen Sohn und mich, Achtung: 80 Cent, zusammen. Ja, es ist ein ganz anderer Verkehrs- und Tarifverbund; doch die Strecke Bad-Wiessee nach Gmund kostet satte 6,30 Euro. Und der Busfahrer raunt mich, die nicht schnell genug ihr digitales Ticket zeigen kann, an, ich solle doch „da bleiben, woher ich komme“.
Vielleicht fahre ich demnächst wirklich bevorzugt an den Staffelsee?
Fotos: Sabine, P. und Elke Tonscheidt
Schon früher hat Elke gern über ihre Liebe zu Bayern geschrieben: