Mentoring – Erfahrung sinnvoll weitergeben
Nach einem langen aktiven Berufsleben möchten viele erst einmal voll ausspannen, reisen, sich erholen, die Freizeit genießen und all die Bücher lesen, für die man nie genug Zeit hatte. Die Liste scheint endlos. Aber ist das genug? Was, wenn das nicht reicht? Wie beschäftigt man sich sinnvoll, wenn man alle Zeit der Welt hat? Sonja, unsere schreibende Nomadin, berichtet davon, wie das Mentoring sie gefunden hat..
Seit ich meine Firma verkauft habe, mache ich mir Gedanken wie ich meine Zeit sinnvoll gestalten kann. Meine Kollegin Cornelia würde wahrscheinlich sagen: Alles gut, so wie es ist. Man braucht nicht immer einen Plan, ein neues Ziel. Recht hat sie ja, denn ich habe ja schon einen Plan: das Reisen, die Ecken der Welt sehen, wo ich noch nicht war. Neue Tauchplätze entdecken, Ski fahren lernen. Aber ist mir das persönlich genug?
Seit ich plötzlich so unendlich viel Zeit habe, denke ich mehr denn je darüber nach, wie ich meine Zeit sinnvoll verbringen kann.
Als mich Elke schon kurz nach dem Verkauf meiner Firma fragte, ob ich mit ihr einen Blog schreiben würde, war ich froh und sehr dankbar. Denn schreiben kann ich, dachte ich mir, eigentlich nur auf Englisch, aber das wird schon. Nach 38 Jahren PR und Marketing in Dubai, einem ausschließlich englisch- und arabischsprachigen Umfeld, fand ich Elkes Idee mit dem Blog einfach genial. Es war mir extrem wichtig wieder Deutsch zu schreiben und meinen doch etwas verkümmerten deutschen Wortschatz zu erweitern. Gesagt, getan – und unser Blog für ohfamoose Umdenker existiert nun seit 2014. Es macht immer noch riesigen Spaß, mein Wortschatz hat sich außerordentlich verbessert und der Austausch mit unseren Lesern ist für mich Inspiration pur.
Das Leben ist keine To-do Liste!
Meine jetzt fast 80jährige Tante, eine Pädagogin, die sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich in einem Demenz-Café engagiert, gab mir damals einen Rat. Als ich ihr schilderte, dass ich mir schon Sorgen mache, wie ich meine Zeit sinnvoll verbringen könne, meinte sie: „Lass Dir Zeit deinen Kopf frei zu bekommen, dann wird dich schon etwas finden.“
Sich finden lassen
Die Idee gefiel mir auf Anhieb. Sich finden lassen, nicht verkrampft suchen und vielleicht enttäuscht sein, weil ein Vorhaben nicht sofort klappt. Also machte ich mir keine großen Gedanken, ging weiter viel auf Reisen, las Bücher und übte mich in Gelassenheit.
Eines Tages erhielt ich einen Anruf von einem meiner Söhne. Er suchte meinen Rat, wie er seine Gedanken und Meinungen verbreiten könne. Er habe so viele Ideen und wolle sie gerne mit Gleichgesinnten in der Gesellschaft teilen. Ich riet ihm sie nieder zu schreiben. Dank meiner Arbeit mit unserem Blog hatte ich schon ein bisschen Erfahrung mit dem Thema. Einen Blog zu schreiben ist das Eine, aber die Verbreitung der Beiträge ist ein anderes Thema. Heute geht das ohne größere finanzielle Investition fast nur über soziale Netzwerke wie Facebook, LinkedIn, Twitter und Pinterest. Ich riet ihm, seine Beiträge diversen Publikationen anzubieten oder sie in einem eigenen Blog zu veröffentlichen.
Er war begeistert. Er selbst hatte diese Option gar nicht in Erwägung gezogen.
Das machte mich nachdenklich, denn ER war ja mit dem Internet und den sozialen Netzwerken groß geworden und hatte nicht daran gedacht. Wie kann das sein?
Ich habe schon früh versucht meinen Kindern ein Soundboard zu sein. Ihnen mit meiner Erfahrung zur Seite zu stehen. Ob das eine Stärken und Schwächen Analyse, eine sogenannte SWOT war, oder eine Mindmap, wo man alle Möglichkeiten zur Weiterführung einer Idee aufzeichnen kann. Ihnen erklärt, wie man ein Budget erstellt. Oder einfach mit ihnen über ihre Ideen geredet, eine andere Meinung vertreten, Erfahrungen erzählt und auch mal den Advocatus Diaboli gespielt. Und so erinnerte mich das Gespräch mit meinem Sohn an eine Idee, die ich in Dubai hatte:
Ein Mentoring Programm, in dem erfolgreiche Unternehmer und Manager ihr Wissen und ihre Erfahrungen freiwillig und unentgeltlich an junge Menschen weitergeben.
Ein Gedanke macht sich breit
Man kennt Mentoren an der Universität. Ein Doktorvater, der dem Studierenden mit Rat zur Seite steht, sich kümmert. Es gibt Mentoring-Programme in Unternehmen und in der Personalentwicklung. Im Unterschied zum Coaching ist die Zielgruppe beim Mentoring immer der junge Mensch. Ein Mentor macht seine Arbeit freiwillig und die Betreuung ist oft eine langfristige Bindung um zu sehen, wie es dem Schützling ergeht.
Der Gedanke gefiel mir und ich beschloss, dass dies eine sinnvolle Art und Weise war meine langjährigen Erfahrungen weiterzugeben. Ich fing mit meiner Familie an. Mein Sohn war der Erste, der davon profitierte. Danach kamen zwei meiner Schwiegertöchter, die mich um Rat fragten. Ich bot meinen Nichten und Neffen meine Hilfe an. Und so bildete sich langsam eine Mund-zu-Mund Propaganda.
Neulich während einer Reise erhielt ich eine nette Email von der Schwester eines Freundes meines Neffen: „ob ich ihr wohl helfen könnte, sie hätte von ihrem Bruder gehört…“
Oder die junge Marketing Managerin, die ein bisschen sorgenvoll in die Zukunft schaute und nicht wusste, wie sie sich persönlich und beruflich weiterentwickeln solle. Ich fragte sie, ob sie schon mal etwas von der Stärken und Schwächen Analyse gehört hätte. Ja, hatte sie, aber die Idee diese Methode für sich selbst in Anspruch zu nehmen, war ihr fremd.
Geben ist seliger als Nehmen ist ein altes Sprichwort, das ich sehr schätze.
Es macht mir großen Spaß, diesen jungen Menschen zu helfen. Ich kann mit meiner Erfahrung etwas zurückgeben. Da ich viel unterwegs bin, kann ich kaum ehrenamtlich tätig sein, obwohl ich diesen Dienst an der Gesellschaft so wichtig finde. Aber vielleicht kann ich ja den einen oder anderen Leser von meiner Idee begeistern. Mir jedenfalls gibt mein kleines Mentoring-Programm ein ohfamoos sinnvolles Gefühl. Ich werde #dranbleiben!