Frauen-Wochenende in der Wildnis
Dick eingemummelt unter dem Sternenhimmel. Unterschiedliche Charaktere, die sich zusammen tun. Gastautorin Brigitte Ehrhardt hat ein Frauen-Wildniswochenende erlebt, das es in sich hat.
Ich liege unter einem großen Kirschbaum und schaue in die Blätter, träume vor mich hin. Es ist ein wunderschöner Spätsommer-Tag und die Sonne wärmt noch richtig kräftig. Ein bunter Schmetterling kommt vorbei und lässt sich kurz auf meinem Arm nieder. Ich höre eine Biene summen und das Klopfen eines Spechtes in der Ferne. Sonst nichts. Plötzlich unterbricht vielstimmiges Wolfsgeheul die Stille. Das ist das Signal, wieder in den Kreis zurückzukehren. Ich packe meine Matte und meine Wasserflasche und schlendere durch das hohe Gras zurück zum Camp.
Wildnis auf deutsch
Der Kreis – das sind 13 Frauen, die sich für ein paar Tage in die Wildnis zurückgezogen haben. So viel Wildnis, wie das in unseren Breiten eben geht. Das Gelände der „Wildnisschule Hoher Fläming“ ist groß, abwechslungsreich und dennoch überschaubar. An seiner Grenze führt der Kunstwanderweg von Bad Belzig nach Wiesenburg vorbei, und gelegentlich fangen wir Blicke neugieriger Wanderer auf. Was sie sehen, ist ein großes weißes Tipi, mehrere Zelte, eine offene Küche und Frauen, die um eine Feuerstelle sitzen und essen, reden, singen oder sich im Feuermachen ohne Streichhölzer üben.
Begleitet werden wir von einem Team aus vier Frauen, die mit ihrer Erfahrung, ihrem Wissen und ihrer großen „Werkzeugkiste“ aus Übungen, Liedern, Spielen und Ideen den Raum für uns halten, sehr genau beobachten und sich einfühlen, was genau diese Gruppe genau jetzt braucht.
Eine wertvolle Gemeinschaftserfahrung
Alle helfen zusammen und tun, was nötig ist: Wasser holen, Feuerholz sammeln, Gemüse schnippeln, Obst fürs Frühstück von den umliegenden Bäumen schütteln, sich gegenseitig beim Zeltaufbau helfen…
Dadurch erfahren wir etwas, was in unserem „normalen“ Leben oft nicht mehr da ist – echte Gemeinschaft.
Wir sind alle sehr unterschiedlich, haben verschiedene Berufe, mehr oder weniger Lebensjahre auf dem Buckel, viel oder wenig Erfahrung mit dem „draußen sein“. Und wir haben alle Qualitäten, mit denen wir uns einbringen können.
Die eine entwickelt großen Forschergeist, wenn es um das Bestimmen von Pflanzen geht, die andere kennt den Sternenhimmel und zeigt uns Jupiter, Mars und Saturn am prächtigen nächtlichen Firmament. Die eine kann abenteuerliche Geschichten erzählen, die andere kennt ein neues Lied. „Es könnte so einfach sein…“ sagt eine Teilnehmerin.
Der Kaffee, der Eintopf, der knackig-frische Kohlrabi – alles schmeckt besser unter freiem Himmel und in der Gruppe. Wir lachen so viel wie schon lange nicht mehr.
Kalte Nächte und Yoga in der Morgensonne
In der Nacht ist es kalt. Dick eingemummelt schlafen wir trotzdem alle gut. Für die steifen Gelenke gibt es gleich nach dem Aufstehen eine Runde Yoga auf dem sonnigen Platz mit der wunderbaren Aussicht über die umliegenden Hügel. Kein Vergleich zum gewohnten Berliner Yoga-Studio…
Im Lauf der Tage kommen wir immer mehr an – bei uns selbst, auf dem Platz und in der Gruppe. Die Gespräche gehen tiefer, die Augen strahlen ein bisschen mehr, die Haare sind verfilzt aber es fällt keinem mehr auf.
Jede Menge Lebensenergie
Für mich „Schreibtischtäterin“ ist es schon fast eine Überdosis Sonne, Licht, Sauerstoff und unmittelbare Natur. Es fühlt sich an, als ob jede meiner Zellen auf diese ursprüngliche Lebensenergie reagieren und vor Freude vibrieren würde. Einerseits fühle ich mich ruhig und entspannt wie lange nicht, andererseits aber auch aufgekratzt und sehr lebendig.
Am Ende formt jede eine kleine Figur und knetet ihre Wünsche und Absichten in den weichen Ton. Einige sprechen davon, dass sie ihre Kinder oder Enkel mit in den Wald nehmen wollen, zum Spuren suchen und Bäume kennenlernen. Manche haben ihr Interesse an Pilzen entdeckt, andere wollen sich Bücher über Heilkräuter zulegen. Eine sagt im Abschlusskreis:
„Das hätten wir in keinem Schloss erlebt…“
Oft ist weniger tatsächlich mehr.
Als ich nach Hause komme, gibt es einen Eintopf aus frischem Gemüse mit Kräutern zum Abendessen. Es schmerzt in meinen Ohren, als mein Mann mit einem Löffel eine Schüssel auskratzt. Mein Gehör ist sensibler geworden, hat sich an die leisen Naturgeräusche und die Stille gewöhnt. Ich werde wohl auch bald mal ein Feuer in der Feuerschale anmachen. Ohne Streichhölzer – versteht sich…
Fotos: via Brigitte Erhardt