Erst auf ohfamoos, jetzt in der New York Times
Das passiert selten – umso mehr freuen wir uns. Gleich mehrfach. Wir freuen uns, dass die Uhrmacherin Eva Leube so erfolgreich ist. Und dass ohfamoos schon 2014 den richtigen Riecher hatte und ein Porträt von Eva veröffentlichte. Denn schon damals machte sich die ohoo-Mitgründerin und heutige Gastautorin Melanie Blankenstein auf den Weg zu Eva in deren Werkstatt in Sydney.. Nun hat die New York Times berichtet.
Dort lesen wir: Die unabhängige Uhrmacherin Eva Leube ist dabei, ein neues und damit zweites Uhrendesign bis Ende des Jahres vorzustellen. Sie lebe nun wieder in der Schweiz, habe dort eine Werkbank mit Blick auf den Zürichsee aufgestellt. (Wir haben den gesamten Artikel aus der New York Times weiter unten verlinkt.)
Wir erinnern uns natürlich sofort und beschließen: Dieses Porträt bringen wir noch mal – zeigt es doch sehr schön, wie Eva schon damals arbeitete, welche Motivation sie treibt, offenbar bis heute. Danke, Melanie!
Das ohfamoose Porträt der Uhrmacherin Eva Leube
Als ausgebildete Architektin ziehen Gastautorin Melanie Blankenstein Räume einfach an: Große, verwinkelte, sogar leere. Als sie Eva Leube trifft, eine hochtalentierte Uhrmacherin, kann sie sich mit ganz kleinen Räumen und umso komplexeren Konstruktionen beschäftigen. Den klassischen Uhrmacherberuf – gibt’s denn so was überhaupt noch? Melanie trifft Eva in ihrer Werkstatt in Sydney und darf ihr über die Schulter schauen.
Beim Eintritt in die Werkstatt komme ich mir vor wie der Elefant im Porzellanladen. Jetzt nur nicht niesen! Etliche Teilchen sind klitzeklein, kaum mit dem Auge zu erkennen und wahrscheinlich ziemlich teuer. Präzise Konstruktionszeichnungen hängen an der Wand. Kleine Schublädchen, sauber beschriftet nach Schraubengrößen im Nanometerbereich. Werkzeug, Lupen, Fräsen überall.
Dazwischen sitzt Leif, Evas zweijähriger Sohn. Er spielt geduldig unter der Werkbank mit seinen Spielsachen. Ihr älterer Sohn ist noch in der Schule.
Eva hat sich trotz Kinder nie eine berufliche Auszeit genommen. In ihrem Kopf tickt es immer weiter, getrieben wird sie von ihrer Kreativität und ihrem Perfektionismus. Bevor ich überhaupt in unser Gespräch über die Manufaktur von Uhren eintauche, bin ich schon beeindruckt. Zwei kleine Kinder betreuen und dabei noch hochkonzentriert arbeiten. Gelingt mir jedenfalls selten.
Die Ausbildung zur Uhrmacherin beginnt Eva mit 16 Jahren. Als kleines Kind hört sie Geschichten von ihrer Mutter über einen Uhrmacher, den die Familie gut kannte. Dass dabei ein Interesse bei ihrer Tochter geweckt wurde, hat sich die Mutter im Traum nicht gedacht. Nach der Ausbildung in Berlin besucht Eva die Meisterschule in Hildesheim. Es folgen erste Arbeitsjahre in kleinen, privaten Restaurationsfirmen. Dabei eignet Eva sich das Grundverständnis für Uhren an und lernt den Ansatz der logischen Fehlersuche. Dann arbeitet sie als Serviceuhrmacherin bei renommierten Firmen wie Ulysse Nardin und Rolex.
Sie verbringt Meisterjahre in den USA, Südafrika, Schweiz und letztlich in Australien, wo sie später hängen bleibt. Eva arbeitet lange mit Thomas Prescher zusammen, ein Spezialist Tourbillons, Retrograde und generell komplizierte Zeitanzeigen. Dabei hat sie das große Glück, all diese wunderbaren, hochkomplexen Uhren anfassen und von der Pieke auf studieren zu dürfen. Der Wunsch nach der ersten, eigens entworfenen Uhr beginnt zu keimen.
“Ich habe so viele wunderschöne und teilweise hochkomplizierte Uhrwerke im Laufe meines Lebens gesehen – aber alle mehr oder weniger versteckt im Gehäuse. Ich wollte eine Uhr, die das Uhrwerk sichtbar macht und dabei nicht wie ein klobiger Klotz an der Hand hängt.”
Gut Ding will Weile haben. In der ersten Babypause realisiert sie endlich ihren Traum. Die Zeiten, in denen ihr kleiner Sohn schläft, nutzt sie für erste Skizzen. Darauf folgen Konstruktionszeichnungen und Modellstudien; der Prototyp bekommt langsam Formen. Nach vier Jahren, ihr Sohn springt inzwischen auf 2 Beinen durch den Kindergarten, ist der Prototyp endlich fertig. Die Uhr bekommt einen Namen: ARI, benannt nach Evas erstem Sohn und nach der wohl größten Umbruchzeit ihres Lebens.
Und dann endlich bekomme ich die Uhr zu sehen. Was ein Schmuckstück! Mein Blick richtet sich als erstes auf die Form, und die ist einfach wunderschön. Ari schmiegt sich elegant und schlicht in leichtem Bogen um das Handgelenk. Nicht aufdringlich, ohne viel Schnickschnack, entworfen für Männer u n d für sie selbst. Eva verrät mir, dass Frauen, die auf handgefertigte Mechanik stehen, ausschließlich Männergrössen tragen. Aha!
Damit trotz des Bogens aber alles sauber läuft, muss Eva den Aufbau des Uhrwerkes komplett umstellen und lässt die Welt daran teilhaben. Das Gehäuse ist nämlich aus Saphirglas und von 5 Seiten einsehbar. Sogar die Krone ist deshalb am unteren Ende der Uhr angebracht um die seitliche Einsicht in das Uhrwerk, bestehend aus über 200 Bauteilen, nicht zu behindern. Durch die durchgängige Krümmung der gebogenen Hauptplatine stehen keine der Achsen des hochkomplexen Uhrwerkes parallel zu einander. Kein Zahnrad der Uhr dreht sich in der gleichen Ebene wie ein anderes und alle Verzahnungen des Räderwerks mussten einzeln durchdacht und konstruiert werden. Modernes Design kombiniert mit einer der ältesten Handwerkertechnik. I like! Meine eigene Plastikuhr, immerhin aus der Schweiz, schiebe ich jetzt mal dezent unter meinen Pullover.
Die Sammlerwelt dreht sich um! Wie bitte, eine Frau? Auf der Baselworld 2011 stellt Eva ihren Prototypen aus und kommt auf dem Geneva Watchmaking Grand Prix 2011 unter die Finalisten im Bereich Design. Eva Leube wird in der AHCI, der Akademie der unabhängigen Uhrenkreateure, aufgenommen und es folgen erste Anfragen und Aufträge.
Ihre Kunden kennt Eva nicht. Sie kommuniziert meistens nur mit deren persönlichen Assistenten. In den Uhrensammlerkreisen möchte man anonym bleiben, möglichst unspektakulär ein neues Sammlerstück ergattern. Kein Wunder. Ein Schnäppchen ist eine Uhr von Eva Leube nicht. Die Kosten liegen im 5 bis 6 stelligen Bereich. Je nach Ausstattung und Material. Anfertigungszeit: 1bis 2 Jahre.
Wie fühlt man sich, wenn die Uhr fertig ist?
„Ich war richtig traurig, mein erstes, gutes Stück abzugeben. Es war ein Loslassen der besonderen Art aber ich wusste, dass die Uhr in ein gutes Haus kommt.“
In der Endphase von Ari übernachtet Eva in ihrer Werkstatt. Nachtschichten stehen an.
Einmal hatte ein ganz besonders aufwendiges Bauteil einen Materialfehler, der erst beim Legieren sichtbar wurde und musste noch einmal komplett neu angefertigt werden. Das warf sie um ein halbes Jahr zurück.
Eva hat ihre Werkstatt in Sydneys Stadtteil Manly. In den Pausen läuft sie mit ihren Kindern zum Strand oder an den Hafen. Sie ist eine große Frau mit Berliner Akzent, die immer lacht; selbst wenn der kleine Leif in der Werkstatt sein Unwesen treibt.
Eva, wie machst Du das mit den kleinen Kindern in der Werkstatt? Wie bleibst Du so cool?
„Ja, da braucht man schon starke Nerven. Oft lasse ich die Kinder Schrauben mit einer Pinzette sortieren. Dann sind sie erst mal lange ruhig und beschäftigt. Das ist manchmal sogar wirklich eine große Hilfe. Als ich den Ari Prototypen einmal für eine Präsentation ganz schnell umbauen musste und die Kinder Werkstattsperre hatten, baute sich mein ältester Sohn vor mir auf und sagt: „Mami, glaub mir, es geht schneller, wenn ich Dir helfe!“
https://www.youtube.com/watch?v=bJXLSwtq5gw
Und hier lest Ihr mehr darüber, was die New York Times über die Uhrmacherin Eva Leube schreibt.
Gastautorin Melanie Blankenstein lebt seit 2006 in Sydney, fast direkt am beach. Die begeisterte Architektin hat ohfamoos 2014 mit gegründet und bloggt gern über Alltagsgeschichten – so wie sie diese in Australien, auf ihren Reisen oder auf Heimatbesuch in der Pfalz erlebt.
Fotos: Eva Leube
Immer noch ein schoenes Stueck! ♡