Helden im Schrebergarten
Farbe und Form – darauf basiert sie, ist aber keine Malerei. Sie hat mit Dreidimensionalität zu tun, ist aber keine Plastik. Sie weist eine zeitliche Komponente auf, ist aber keine Musik. Die Kunst, bei der so viele unterschiedliche Elemente in Schach zu halten sind, heißt Gartengestaltung. Oder profan: Schrebergarten.
Ich habe viele Formen der Selbstverwirklichung ausprobiert. Mit unterschiedlichsten Arten von Gestaltung: Tonplastiken modelliert, Silberschmuck geschmiedet; nach einigen Jahren war jedoch die Luft stets raus. Die kunsthandwerkliche Betätigung erschien mir hohl und selbstgefällig, ich hatte in meinen Augen nichts Neues, Besseres erschaffen.
Eigentlich ahmte ich immer die Natur nach. Moosige oder flechtenartige Oberflächen, organische Texturen. Form follows Nature hießen darum meine Arbeiten. Bis mir klar wurde: Beim Nachahmen der Natur kann man immer nur den Kürzeren ziehen. Man muss nicht nach, sondern mit der Natur gestalten.
Schrebergarten mit Liebe gestaltet
Mein neues Konzept: Jetzt lege ich Farb-Form-Gefüge mit zeitlicher Komponente an. Ich bearbeite einen Garten. Der große Vorteil: Die Natur gestaltet selbst, sorgt für Varianz – man greift nur lenkend ein. Manche Pflanzen breiten sich aus und machen andere platt. Ein besonders trockenes oder besonders feuchtes Jahr hinterlässt sofort seine Spuren, indem es manche Gewächse begünstig und anderen den Garaus macht.
Wie bin ich vorgegangen? Meine erste Überlegung: Welche Farben möchte ich in meinem Garten haben? Ein Farbkonzept schafft Harmonie. Selbst ein kunterbunter Garten braucht eine „Regie“, wirkt sonst chaotisch und enervierend statt fröhlich und lebhaft. Die Antwort für mich: Gedeckte Pastelltöne wie Altrosa und Graulila, dazu Violett und Purpur für die Tiefe sowie Weiß und Silber als Akzente. Um nicht allzu sehr in eine Rosamunde-Pilcher-Optik abzugleiten, gibt es als Kontrast ab und zu einen orangen Farbklecks. Dazu viel dunkelrotes und blaugrünes Blattwerk. Einfach stimmig!
Helden im Schrebergarten
Zunächst habe ich die Heros in meinem Garten bestimmt. Im Frühjahr sollten dies Strauchpfingstrosen sein, im Frühsommer alte englische Rosen, im Hochsommer Rittersporn, Taglilien und Phlox und im Herbst Dahlien, japanische Anemonen und Silberkerzen. Rund um diese tonangebenden Stauden wurden dann kleinere Pflanzen gesetzt. Dazu Bodendecker wie silberfarbene Taubnesseln und dunkelroter Kriechender Günsel.
Für eine ausgewogene Struktur ist es wichtig, für eine Balance der Waagerechten und der Senkrechten zu sorgen. Schirmartige Doldengewächse wie Schafgarbe oder Wiesenrauten betonen die Horizontale. Sie wechseln sich ab mit den vertikalen Kerzen von Rittersporn, Salbei oder Duftnesseln. Dazwischen sorgen großblütige Pflanzen wie Pfingstrosen, Mohn oder Schwertlilien für farbenprächtige Highlights.
Wenn sich eine neue Blüte öffnet, ist das so elektrisierend, wie es früher als Kind war, Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenke auszupacken: eine Überraschung erster Güte. Vor allem wenn man vergessen hat, was man irgendwann einmal wohin gepflanzt hat (und das passiert häufiger, als einem lieb ist). Man kann richtiggehend erschrecken. So wie kürzlich, als mein Blick über die Rabatten streifte, und sich plötzlich die tiefviolette Blüte der Bartiris Superstition in mein Bewusstsein drängte. Ich hatte sie vor zwei Jahren gepflanzt und dann schlichtweg vergessen.
Ein Schrebergarten sieht immer anders aus
Das Tolle ist: Der Garten sieht zu jeder Jahreszeit anders aus. Das ist zwar ein etwas abgedroschener Topos, aber wenn man jede Woche denkt: „So schön sah der Garten noch nie aus“, muss doch etwas Wahres dran sein. Im Frühling präsentiert sich der Garten z.B. ganz duftig in Hellgrün, Rosa und Weiß.
Im Spätsommer und Herbst tendiert der Garten durch die Dahlien und die sich langsam verfärbenden Blätter deutlich in eine lichtere orange Grundstimmung.
Gartengestaltung ist nicht einfach und immer wieder gibt es Rückschläge: durch frostige Frühlinge, durch Mehltau, durch Schnecken. Unter dem Strich ist es aber eine immense Befriedigung, wenn mal was klappt, wie man es sich vorgestellt hat. Ich glaube nicht an einen grünen Daumen. In dem Maße, in dem man sich kümmert, gedeiht der Garten.
Er ist nur ein Spiegel der eigenen Leidenschaft.
ohfamoos-Gastautorin Christine Mangold ist Textnomadin und lebt in Köln. Mal als Journalistin, mal als Werbetexterin unterwegs, beackert sie Bleiwüsten, bis blühende Landschaften entstehen. Privat bestellt sie Ihren Garten und ist Mutter einer Heerschar von Blumenkindern.
Fotos und Text: Christine Mangold
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