Zwischen den Jahren

Gedanken zum Jahreswechsel

Im zweiten Lebensabschnitt beginnt eine eigentümliche Freiheit. Nicht die laute, von der uns früher erzählt wurde, sondern eine leisere. Sie fühlt sich an wie ein inneres Nicken. Man muss nicht mehr alles erklären. Vor allem nicht sich selbst!

Vielleicht ist es das Alter, vielleicht einfach Erfahrung: Entscheidungen fühlen sich anders an. Der Kopf rechnet noch immer, wägt ab, erstellt Pro-und-Contra-Listen. Oder To Do-Listen, wahlweise. Aber der Bauch – dieser lange ignorierte Mitreisende – meldet sich klarer. Er spricht nicht in Argumenten, sondern in Spannungen und Entlastungen. In einem Ja, das ruhig macht. Oder in einem Nein, das sich wie ein Knoten anfühlt.

Wir haben gelernt, ihm zuzuhören. Nicht immer sofort, aber früher als früher. Ein guter Vorsatz auch für 2026?

Wir waren viel unterwegs

Auch 2025 waren wir viel unterwegs. Einige Berichte sind hier auf ohoo erschienen. Elke gern mit der Bahn, Sonja braucht für die weiteren Reisen meist doch den Flieger. Und natürlich geht beides immer einher auch mit Umwegen. Verspätungen, ein verpasster Anschluss, dieses vertraute Gefühl, dass nicht alles so läuft wie geplant.

Und doch: In diesen Zwischenzeiten – auf zugigen Bahnsteigen oder lauten Flughäfen – entsteht oft mehr Wahrheit als im reibungslosen Ablauf. Man schaut anders. Denkt anders. Wir sind gezwungen, da zu sein, wo wir gerade sind. Das gilt natürlich auch für 2026.

Vielleicht ist das Leben im Alter genau das: eine Reise mit Umwegen. Nicht, weil man sich verlaufen hätte, sondern weil man gelernt hat, dass der direkte Weg nicht immer der richtige ist.

Beziehungen

Wir denken an Beziehungen, die lange dauern, manche vermutlich ewig. Andere verschwinden leise, oft gut so. Wir erinnern uns an Nähe, die zur Gewohnheit wird, und an Körper, die sich nicht mehr erinnern, wann sie sich zuletzt wirklich begegnet sind. Kein Streit, kein Drama. Nur Stille.

Und weniger Sex. Der jedoch aufkeimen kann, wenn die Zeit reif ist. Auch das sind Entscheidungen – manchmal trifft man sie, indem man nichts tut. Gar nichts außer Abwarten. Der Bauch weiß oft sehr genau, ob diese Stille Frieden ist oder Resignation. Der Kopf findet Gründe, zu bleiben. Der Körper zieht sich zurück.

Orte und Landschaften

Es gibt Orte, an denen man wieder spürt, was wesentlich ist. Elke war wieder in München, dem Wohnort in Deutschland, wo sie am allerliebsten gelebt hat – insbesondere wegen ihres Startups damals. Bayern hat so viele schöne Orte … 

Und Sonja erinnert sich gern an Rumänien, an die Klöster der Moldau. Diese tiefen Farben an den Außenwänden, gemalt für die Ewigkeit und doch längst angegriffen von Wetter und Zeit. Szenen von Himmel und Hölle, von Werden und Vergehen – draußen, für alle sichtbar. Nichts wird versteckt. Glaube nicht als Rückzug, sondern als Teil der Landschaft.

Dort wird einem klar: Beständigkeit ist kein Stillstand. Sie ist ein Aushandeln mit der Zeit.

Fresken

Wandel ... nicht nur im Klima

Der Klimawandel macht dieses Aushandeln brutal sichtbar. Er ist keine abstrakte Zukunft mehr, sondern ein Gegenwartsthema. Auch hier hilft 2026 kein Wegschauen, kein Aufschieben. Vielleicht ist es wieder der Bauch, der längst begriffen hat, was der Kopf noch diskutiert. Dass wir Teil dieser Reise sind. Dass es Umwege geben wird, die wir uns nicht ausgesucht haben. Und dass Entscheidungen, die wir heute treffen oder nicht treffen, Spuren hinterlassen – an Wänden, in Körpern, in Landschaften.

Der Jahreswechsel ist so ein Bahnsteig-Moment.

Zwischen Ankunft und Abfahrt. Man weiß auch 2026 nicht genau, wie das nächste Stück Strecke aussieht. Aber man kann innehalten. Hinhören. Vielleicht eine Entscheidung weniger aus Angst treffen und eine mehr aus diesem stillen inneren Wissen heraus.

Nicht alles wird gut. Aber manches wird wahrer. Und das reicht vielleicht fürs Erste.
Elke Tonscheidt
Elke Tonscheidt, die selbsternannte Energiebündlerin, liebt und lebt in Köln. Neben ihrer Arbeit bei ohfamoos schreibt sie auch für andere Medien, besonders gern Porträts und Reportagen. Sie vernetzt sich gern, hat ein Start-Up mit gegründet und war einige Jahre in der politischen Kommunikation tätig.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 29. Dezember 2025 veröffentlicht
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