Landwirt protestiert: „Das tun wir Bauern alles“
Die Aktionswoche der landwirtschaftlichen Proteste läuft in Deutschland – und in Pulheim bei Köln lebt und arbeitet Markus Wipperfürth. Der Landwirt protestiert – und hat sich längst auch als Buchautor und Social-Media-Experte einen Namen gerade in seiner Branche gemacht. Elke hat mit ihm gesprochen, ihn um Einschätzung der Bauernproteste gebeten und dabei erfahren, wie radikale Kräfte auch ihn und seine Arbeit versuchen zu beeinträchtigen.
Außerdem schlägt Landwirt Wipperfürth ein neues Fernsehformat vor: Bauer tauscht Job. Damit, sagt er, auch diejenigen, „die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben“, was ein Bauer für einen Job macht, die Arbeit auf einem Bauernhof live erleben und sich Menschen aus Stadt und Land besser verstehen lernen. Mehr auch darüber im folgenden Interview.
Interview mit Markus Wipperfürth
Markus, um was im Kern geht es bei den Protesten wirklich und warum unterstützt Du sie?
Im Kern geht es darum: Immer wieder werden über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen getroffen, die ausschließlich nur noch gegen uns Landwirte sind. Es herrscht eine absolute Perspektivlosigkeit, weil keiner mehr weiß, in welche Richtung die Zukunft uns führt. Das Gleiche höre ich auch von anderen Firmen im Mittelstand – und deshalb gehe ich persönlich nicht nur für uns Landwirte auf die Straße, sondern für alle Menschen, die wieder Halt und Perspektive suchen.
Politisch rechts motivierte Kräfte sollen sich zumindest in einigen Bundesländern den Protesten angeschlossen haben – geht gar nicht, oder?
Das ist völlig inakzeptabel. Ein persönliches Erlebnis: So nutzt die AfD ganz aktuell ein Foto meines Treckers aus dem Kölner Protestzug vom 8. Januar 2024 für eine ihrer Foto-Aktionen mit dem Slogan: „Breite Mehrheit unterstützt Bauern-Proteste“. Einfach so, ohne mich um Erlaubnis zu fragen, sehe ich plötzlich meinen Trecker, sogar mit Kennzeichen, der für deren Protest genutzt wird. Abenteuerlich und dagegen verwehre ich mich natürlich.
Habe das sofort umgemünzt und das Fotomotiv überschrieben mit: „Da verzichten wir gerne drauf!“, bei mir gepostet und auf deren Seite als Kommentar hinterlassen.
Sie benutzen es als Wahlwerbung, für mich ist es Missbrauch.
Ein anderes Beispiel: Auf derselben Demo in Köln habe ich dem Fahrer eines weißen LKW mit eindeutiger Aufschrift und von dem Experten mir sagten, dass dieser zu einer radikalen Gruppe gehöre, untersagt, auf unserer Demo mitzufahren. Bei meinen späteren Filmaufnahmen sah ich, dass er sich doch wieder eingereiht hatte. Das ist absolut unverschämt, denn so entstehen Bilder in den Medien, die zeigen: Rechtsradikale demonstrieren gemeinsam mit den Bauern. Dass es vorher mindestens einen eindeutigen Platzverweis gab, erfährt man leider nicht.
Das heißt: Ihr versucht Euch zu distanzieren, aber es funktioniert nicht immer…
Ja. Wir distanzieren uns von allen Arten von Extremismus, egal ob rechts oder links.
Wir wollen einfach unser demokratisches Grundrecht in Anspruch nehmen und friedliche Demonstrationen im Einklang mit der Polizei durchführen.
Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat selbst geäußert, dass die Zusammenarbeit mit den Landwirten sehr gut gelaufen sei. Dass wir schon im Vorfeld als rechts tituliert werden, versteht auch er nicht. Wir und auch die Polizei wissen, dass sich radikale Kräfte ohne Absprachen unter uns mischen.
Radikale Kräfte mischen beim Bauernprotest mit
Du erlebst im „sozialen“ Netz, besonders auf Deiner Facebook-Seite, die sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, ebenfalls die „Pöbelei“ radikaler Leute – was steckt dahinter und wie wehrst du Dich?
In der Tat gibt es immer wieder Pöbler auch auf meinen Kanälen, aus der linken oder rechten Szene. Deshalb habe ich schon seit längerem diverse Administratoren eingesetzt, die mit auf die Seite schauen – zwei Admins sogar in Teilzeit angestellt. Bei der Menge der Kommentare, manchmal sind es 12.000 bei einem einzelnen Post, lässt sich dennoch nicht immer alles korrigieren. Aber wir geben unser Bestes, radikale Äußerungen zu unterbinden.
Das bedeutet, man versucht Deine Reichweite für andere Zwecke zu nutzen?
Ja. Man versucht gegen mich zu agieren und weiß, dass es viele lesen. Ein Beispiel: Linke setzen auf meiner Seite eine rechte Parole ab, machen davon einen Screenshot und behaupten: Bei Wipperfürth kommentieren nur Rechte. Was für ein dummes, leider Zeit raubendes und gefährliches Kinderspiel.
Du schlägst vor, dass Menschen den Job der Landwirte endlich kennenlernen und hast dafür ein Fernsehformat erdacht…
Genau, es gibt ja die Fernsehsendung Frauentausch, in der zwei Kandidatinnen beweisen müssen, dass sie auch den Alltag einer anderen Person meistern können.
Wie wäre es, wenn jemand aus der Stadt unseren Job auf dem Land macht?
Bauer tauscht Job – „denn wir Bauern sind echte Problemlöser“
Und umgekehrt. Damit man mal erkennt, was ein Landwirt zu leisten hat. Dass man das Leben des anderen wirklich versteht. Bauer tauscht Job. Natürlich kann kein Bauer seinen Hof einfach verlassen, aber dass ein Mensch, der hauptsächlich das Stadtleben kennt, mal raus zu uns aufs Land kommt und ernsthaft teilnimmt, das ist wichtig. Dass erkannt wird, was wir für Problemlöser sind. Denn ehrlich, die meisten haben doch, Entschuldigung, von Tuten und Blasen keine Ahnung. Wer weiß schon, was wir wirklich tun?
Das Ziel eines solchen Job-Austauschs wäre also…
… dass wir uns gegenseitig besser verstehen lernen. Wer auf einem Bauernhof aufwächst, mit allen Problemen aber auch guten Seiten, hat einen anderen Blick auf die Welt. Wir auf dem Land haben zum Beispiel nie Feierabend. Wir müssen jederzeit, auch tief in der Nacht, mit neuen Situationen zurechtkommen, z.B. bei mir im Pferdebetrieb oder wenn Bauern Milchkühe betreiben oder aktuell jetzt im Winter, wenn Wasserleitungen zufrieren. Und das sind nur Beispiele, denn nehmen wir speziell die Erntezeit: In der Erntezeit ist an ein „normales“ Leben ohnehin nicht zu denken. Das alles könnte man bei einem Jobtausch verstehen lernen und erfahren.
Im Übrigen: Meine Frau könnte mittlerweile darüber ein Buch schreiben, denn sie kommt ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft.
Denkst Du da auch an Politiker, die Gesetze mitverantworten, obwohl sie die Lage der Bauern gar nicht kennen?
Ich sage für unseren Berufsstand, welch großen Erfahrungsschatz wir haben und wie wenig dieser offenbar genutzt wird. Deshalb ist es für uns nicht länger hinnehmbar, dass Menschen über uns entscheiden, die nichts von Landwirtschaft verstehen und ein Weizenkorn nicht von einem Gerstenkorn unterscheiden können.
Dein Wunsch ist, mal nachts die Grünen-Chefin Ricarda Lang oder den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck anzurufen, warum?
Damit will ich verdeutlichen, dass wir Landwirte immer erreichbar sind, nicht in Urlaub fahren, wenig Freizeit haben und immer sofort da sind, wenn man uns braucht. Beispiel Flutkatastrophe im Ahrtal.
Auch im Ahrtal haben die Bauern sofort geholfen
Dazu hast Du ein Buch geschrieben, warst einer der ersten Spontanhelfer, auch mitten in der Nacht…
… genau, und es folgte, neben meinem Job, die krasseste Zeit meines Lebens, alles nachlesbar. Wie viele Landwirte haben wie ich, mitten in der Erntezeit, alles stehen und liegen gelassen und an der Ahr geholfen? Wir leben und lieben unseren Job, stehen jederzeit bereit, wenn etwas passiert, wo wir unterstützen und helfen können. Das war und ist gelebte Solidarität.
Und diese Solidarität vermisst Ihr, wenn es um Eure Belange geht?
Ja, genau, weil wir von der Politik immer nur als Feindbild dargestellt werden – ob es um die Wasser- oder Luftproblematik geht, den Klimawandel oder Umweltverschmutzung generell. Speziell von Seiten der Grünen, die ein solches Bild offenbar als Daseinsberechtigung brauchen.
Wie meinst Du das?
Wir sind immer schuld, aber man vergisst: Wir sind eben auch „schuld“, dass der Teller auf dem Essenstisch dreimal täglich bezahlbar und in bester Qualität voll ist. Und dass wir mit Sicherheit unsere Böden nicht zerstören, die uns über Generationen weitergegeben wurden – und weitervergeben werden sollen an die nächsten Generationen. Sie sind unsere Lebensgrundlage!
So viel wird vergessen?
Noch mehr! Denn wir produzieren konform mit den Gesetzen, die uns auferlegt werden. Und wir sind die Einzigen, die professionell CO 2 binden und Sauerstoff produzieren – und zwar als Nebenprodukt unserer Lebensmittelerzeugung.
Vielen Dank für das Interview!
Fotos: privat