Was ist eigentlich zu Hause? Wo Heimat ?
Zufälle bringen Menschen ja oft zusammen – so ging es mir mit Michèle Halder. Ich hatte der Flüchtlingshilfe Düsseldorf-Angermund angeboten, für deren Website ein paar Porträts zu schreiben. Die Erste, die ich interviewte, war Michèle. Daraus wurde mit der Zeit mehr – und irgendwann sprachen wir nicht nur über Gott und die Welt, sondern auch über Reisen und Heimat. Nun hat Michèle aufgeschrieben, wie sich ihre Welt mit den Jahren verändert hat, und was es bedeutet eine Heimat zu finden.
In jungen Jahren, so mit 18, 19, 20 geht man als reisefreudiger Mensch in die große Welt hinaus und freut sich über die Tatsache, Bürger eben dieser großen Welt zu sein. Jedenfalls habe ich einmal so begonnen. Bei der Rückkehr von meinem ersten großen Abenteuer war klar: Nix Weltenbürgerin, Europäerin bin ich. Diese Überzeugung blieb, bis ich nach einigen Reisen innerhalb Europas feststellen musste: Nix Europäerin, Deutsche bin ich.
Nun denn, es ist ja gar nicht so falsch sich mit einer Nation identifizieren zu können und trotzdem über den Tellerrand hinaus geguckt zu haben und weiterhin gucken zu können. Kaum war dann ein bisschen Leben gelebt, beruflich in ein paar Ecken des Landes gewohnt und nach einem Nomadenjahrzehnt wieder in Düsseldorf angekommen, habe ich entdeckt: Nix Deutsche, Düsseldorferin bin ich.
Ein Dorf statt großer, weiter Welt
Und heute? In der zweiten Hälfte meines Lebens angekommen, geheiratet, Mutter geworden, ein Haus gekauft und so weiter und so fort stelle ich fest, dass ich Einwohnerin eines kleinen Dorfes am Rand einer großen Stadt bin und mich auch als solche verstehe und wohl fühle.
Es ist eine merkwürdige (im Sinne von “würdig, sich zu merken”) Erkenntnis, dass es gar nicht die große weite Welt ist, in der ein aufgeschlossener, abenteuerlustiger, junger Mensch sich zu Hause wähnte, sondern ein kleines Dorf.
Ein kleines Dorf, dass mich lächeln und mit einem wohligen Seufzer ‚zu Hause’ sagen lässt.
All diese Gedanken führen mich zu weiteren Fragen zum Thema. Was ist eigentlich zu Hause? Ist es die Nationalität? Die Sprache? Ist zu Hause ein realer Ort? Eine Wohnung? Ein Haus? Ein Zimmer? Oder sind es die Menschen, die uns umgeben? Eltern? Freunde? Nachbarn?
Zuhause als der Ort, wo man geliebt wird?
Fragen über Fragen. Fragen, die es sich – gerade in heutiger Zeit, in der zig Tausende von Menschen auf der Flucht sind – zu stellen lohnt, denke ich. Denn ist es nicht bemerkenswert, dass Studenten von Zuhause sprechen, wenn sie ihr Elternhaus meinen, nicht etwa ihre Studentenbude? Dann ist Zuhause also der Ort, an dem wir geliebt und umsorgt werden. Andererseits höre ich älteren Menschen zu, die von Zuhause sprechen – dann ist es oft die Stadt oder das Dorf, in dem sie aufgewachsen sind. Dann wäre Zuhause doch eher als realer Ort zu verstehen.
Was sagen denn Menschen, die ihr Heimatland (interessant, dieses Wort in diesem Zusammenhang) zugunsten eines anderen Landes verlassen haben? Ich habe sehr oft gehört, dass bei Erzählungen die Sätze gelautet haben: bei uns in Irland, Holland, Deutschland. Dabei war bei uns mittlerweile USA, Indonesien, Spanien.
Zuhause kann so Vieles sein und macht sich oft nur an ganz wenig fest. An der als Kind gelernten Sprache, den Düften von Mahlzeiten, der Art und Weise ein Fest zu feiern.
Machen wir uns doch einmal Gedanken, wie wir dabei helfen können, all den Menschen, die ihr Zuhause mit allem, was dazu gehören kann, verlassen haben, helfen können, ein kleines Stück davon hier bei uns wiederzufinden.
Das, liebe Michèle, finden wir allerdings auch! Eine ohfamoose Idee.
Foto: Alexas_Fotos Pixabay
Michele spricht mir aus der Seele, da ich in jungen Jahren auch immer den Drang hatte, die weite Welt zu erobern und teilweise auch getan habe. Doch irgendwann war mir auch klar, dass Deutschland ein tolles demokratisch geführtes Land ist und wir unsere Freiheit in allen Facetten leben können. Viele merken es gar nicht mehr oder nur dann, wenn sie den Flüchtlingen einmal zuhören. Es sind so viele wunderbare Menschen darunter, die hier in Ruhe und Frieden mit ihrer Familie leben wollen. Freunde und Familie bedeutet Heimat, für diese Menschen genau so wie für uns. Ich finde es sehr bedauerlich – erst gestern hatte ich eine heiße Diskussion darüber – den Flüchtlingen mit Mißtrauen und Untaten zu begegnen.
Liebe Erika, ich sehe es so: wer anderen Menschen stets misstraut, egal ob Flüchtlinge oder andere Leute, der traut in 1. Linie sich selbst NICHT. Wer das einmal hinterfragt, was ihm/Ihr dieser Spiegel eigentlich sagt, erfährt viel über sich selbst…
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Wir haben ein sehr schönes Buch gefunden, das sich mit dem Heimat und Nostalgie beschäftigt. Das Fazit möchten wir zitieren:
„Was für ein Glück: Man hat beim Lesen – und etwas Schöneres kann man über ein Buch über Nostalgie wohl kaum sagen – selbst das Gefühl, dass man zurückkehrt in eine verlorene Heimat des Denkens.“
Mehr erfahrt Ihr hier: https://www.deutschlandfunkkultur.de/cassin-nostalgie-100.html