Liebe, bedingungslos – so berät diese Frau Familien
Wie leben wir eigentlich Familie? Das frage ich Sabine Krieger-Ley – fünf Kinder aus 1. Ehe und ihr Lebenspartner hat drei dazu. Sabine kennt sich aber nicht „nur“ mit Kindern aus – sie berät Menschen, die in ihrem Leben etwas drehen wollen. Die Familienberaterin sieht alles als Geschenk. Warum das Verzeihen dabei eine große Rolle spielt und wie Du Deinen Rucksack leichter machen kannst, verrät sie Elke im Interview.
In Liebe und Geborgenheit aufwachsen – große Worte, die Du Deinem „Programm“ gegeben hast. Um was geht es Dir dabei in 1-2 Sätzen?
Sabine Krieger-Ley: Mir geht es primär darum, dass Familien für sich einen Weg finden, in einer Atmosphäre von bedingungsloser Liebe, Gleichwürdigkeit und Leichtigkeit aufzuwachsen respektive zusammenzuleben.
Du meinst bei dieser bedingungslosen Liebe vor allem die Liebe zu sich selbst?
Richtig. Das ist das A und O der gesamten Beratungssituation bzw. des Seins, so wie ich es vermittle. Ohne Selbstliebe funktioniert gar nichts, was bedeutet:
Wir müssen unser Liebesglas erstmal komplett füllen, damit wir aus dieser Fülle heraus dem anderen überhaupt etwas geben können.
Also dieses: „Wenn Du nicht das oder das tust, dann habe ich Dich nicht lieb“…
… ist ein ganz häufig fallender Satz innerhalb einer Familie. Menschen, die mit mir zusammengearbeitet haben, haben sich von diesen Sätzen verabschiedet.
Das heißt, dahinter steht eine echte Arbeitsleistung, das ist nicht ein so nettes Gespräch, wie wir jetzt dieses Interview führen… wer kommt zu Dir, wer fühlt sich angesprochen?
Tatsächlich sind es häufig die Mütter meist größerer Familien, die zu mir kommen. Mit mehr als 2 Kindern, meine ich. Alle Altersklassen, manche haben Kinder zwischen 2 und 15 Jahren, andere zwischen 1 und 5 Jahren. Auch einzelne Erwachsene kommen in meine Beratung, die für sich selbst beschlossen haben aufzuräumen und versuchen, z.B. mit ihrem Partner wieder in besseren Kontakt zu kommen.
Jede/r kann kommen?
Tatsächlich, meine Beratung funktioniert für all jene, die Situationen erleben, in denen beispielsweise jemand das Gefühl hat, zuhause wird nur noch rumgestritten oder die Eltern haben sich als Paar verloren…
… also wo Beziehungen aus dem Ruder laufen?
Genau, wenn beispielsweise eine Frau sagt: Wenn das so weitergeht, packe ich meine Koffer. Oder wenn ein Paar der Kinder wegen zusammenbleibt und dann zu mir kommt, weil es ja doch nicht funktioniert. So etwas kann gedreht werden. Also wenn es auf der breiten Ebene nicht gut funktioniert und nur noch Stress und Streit herrschen, dann kommen Menschen zu mir.
Und wie bist Du zu deiner jetzigen Tätigkeit gekommen? Du bietest ja heute im Gegensatz zu früher, als wir uns kennenlernten und unser Kind in Deine Spielgruppe ging, eine richtige Lebensberatung… Wie kommst Du persönlich mit diesen Themen in Berührung?
Nun …, wieviel Zeit hast Du? (sie lacht, wir lachen herzlich) Also, kurz gesagt, ich komme aus einer Familie und habe von dort einen relativ großen Rucksack mitgebracht…
… wie viele von uns.
Genau. Und wie das dann so ist: Wenn Kinder dazu kommen, beginnt man sich doch mehr zu reflektieren.
Ich würde sagen, man muss es sogar.
Du wirst es nicht glauben, aber es gibt tatsächlich auch Familienkonstellationen mit ganz kleinem Rucksack, wo Eltern aus dem Bauch heraus entscheiden und so erziehen, wie sie es gewohnt waren, weil sie sich denken: Das haben meine Eltern so geil gemacht, wir führen das fort.
Kenne ich wenige, aber schön, dass Du sie kennst!
Finde ich auch – und das finde ich mega. Das war bei mir halt überhaupt nicht so. Also am Anfang stand auch bei mir die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte. Und mit steigender Anzahl meiner Kinder habe ich mich weiter reingearbeitet, Fortbildungen besucht, Weiterbildungen gemacht und jüngst habe ich meine Ausbildung zur systemischen Familienberaterin abgeschlossen. Ich bleibe auch in Weiterbildungen, denn meine Motivation ist es, meinen Kindern nicht so einen Rucksack mitzugeben.
Jetzt bist Du ja schon seit über 14 Jahren aktiv, als Dozentin, Kursleiterin und Beraterin tätig. Was fällt Dir am meisten auf, wenn Du zurückblickst?
Dass der Hase oft deshalb im Pfeffer liegt, weil Eltern leider oft in ihren Themen verhaftet sind. Sie übertragen es auf ihre Kinder. Da ist meine Schnittstelle.
Zielgruppe sind die, die erkennen, ich habe da ein Päckchen, das ich immer noch mit mir herumschleppe.
Konkretes Beispiel: Jemand reagiert in Streitsituationen wie ihre/seine Mutter – wollte aber genau das nicht. An sich schon ein bekloppter Ansatz, denn man drückt dann die ganze Zeit irgendwas weg.
Und dafür geht viel Energie verloren…
Richtig, Kraft geht drauf, weil man NICHT so sein will wie… anstatt zu sagen: SO will ich sein.
Du siehst viele Lebenssituationen, hast Du im Vorgespräch verraten, als Geschenk. Als Momente, etwas zu drehen. Selbst die Coronazeit hast Du als solche gekennzeichnet. Was ist daran schön, also als Geschenk zu sehen?
Weil es förmlich dazu einlädt innenzuhalten und zu schauen: Wie leben wir eigentlich Familie? Auch wenn der Satz etwas Fatalistisches hat, aber er ist einfach mega mega: „Es ist, wie es ist.“
Also nimm das Geschenk, das da ist, und den Rest verzeih‘!
Das ist das, wonach ich stark handle. In der jetzigen Zeit ist in vielen Familien so klar geworden, dass nach einem Konzept gelebt wird, das sofort zusammenbricht, wenn so etwas von außen passiert, das so unvorhergesehen ist. Plötzlich diese Fragen: Wer verdient die Kohle? Wer bleibt zuhause? Wer macht was mit den Kindern?
Schule bricht weg, Arbeitslosigkeit steigt …
Genau, wir werden krass in Frage gestellt, und das sehe ich als Einladung sich selbst zu fragen: Wie wollen wir es eigentlich haben? Ich sehe da auch große Chancen drin. Letzt endlich habe ich zum Beispiel für meine Familie das große Geschenk angenommen, so viel mehr gemeinsame Zeit verbringen zu dürfen. Wir hatten plötzlich so irre viel Zeit miteinander wie lange nicht mehr. Und vor allem so gute.
Du möchtest Dich an Sabine wenden? Hier ist die Seite von Sabine Krieger-Ley.
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Väter trinken auf die Familie.
Fotos: Unsplash und privat