Das Schulsystem ganz kippen?
Das fragt sich ein Schüler, der sich seit Jahren engagiert – im Schülerparlament, in der Kirche, in der Lokalpolitik. Und findet es nicht absurd, das Schulsystem ganz zu kippen. Ein Schüler, dem viele gern zuhören, denn „der Junge“ tut ja was. Elke hat Benno Knobloch bei einer Bildungsveranstaltung, die sie moderierte, kennengelernt. Sein Engagement in Sachen Schulsystem hat ihr so gut gefallen, dass sie ihn interviewt hat.
Gern und engagiert berichtet ohfamoos über das Thema Bildung. Zu wichtig ist dieses Thema aus Sicht von Sonja Ohly und Elke Tonscheidt, den Gründerinnen dieses Blogs, für unsere Zukunft, egal wie alt wir sind. Denn auch älteren Menschen kann nicht egal sein, finden wir, welche Welt – in diesem Fall: Schulalltag – wir hinterlassen.
Doch tun wir genug dafür, unsere Kinder so gut auszubilden, dass sie die Herausforderungen von morgen und übermorgen anpacken können?
Wir finden: Nein. Und deshalb hat Elke sofort zugesagt, dieses Panel der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema Bildungspolitik zu moderieren. Ein Abend, bei schönstem Sommerwetter, in Königswinter am Rhein – und doch waren rund 90 Gäste gekommen, um zuzuhören – UND zu diskutieren: Wie sieht die Schule der Zukunft aus?
Besonders gefallen hat uns, dass die anwesenden Schüler*innen so lebhaft ihre Anliegen zum Schulsystem vortrugen. Teilweise etwas sehr vorlaut, aber auch hier etwas, was in unseren Augen vorbildhaft ist: Eine Schülerin „vergaloppierte“ sich in einem Redebeitrag, klagte mehr an, als dass sie ihr Thema auf den Punkt brachte. Sie bemerkte dies – und entschuldigte sich später bei dem Politiker, den sie verbal angegriffen hatte.
Auf der Bühne stand – neben Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Schule – Benno Knobloch, Schülervertreter und Jahrgang 2007. Der mit Abstand jüngste also 🙂 . Elke hat ihn anschließend gefragt, ob er ihr auch für ein Interview zur Verfügung stehe. Eh, voila!
Benno, wieso versuchst Du Dich politisch zu engagieren, bringt das was?
Benno Knobloch: Ja, auf jeden Fall! Ganz besonders auf lokalpolitischer Ebene. Die Interessen meiner Generation werden oft klein geredet oder nicht stark genug angesprochen. Und wenn, dann wird über uns und nicht mit uns gesprochen.
Hast Du dafür ein Beispiel?
Zum Beispiel in der Kirche, ich der ich mich ebenfalls engagiere, finde ich es manchmal wirklich absurd. Da diskutieren 80jährige darüber, wie man interessante und ansprechende Konzepte für Jugendliche erarbeiten kann. Und da habe ich halt einfach das Gefühl, dass ich was bewirken kann, wenn ich mich einmische.
Hast Du Verständnis dafür, dass sich viele Jugendliche eben nicht engagieren?
Klar, nicht jeder hat Zeit, Lust und Interesse – und das ist auch vollkommen in Ordnung. Lokalpolitik ist eben auch ein Hobby für mich, und wenn jemand sich nicht einbringen will oder kann, ist das nicht schlimm.
Das ist für Dich nicht unverantwortlich?
Ich finde, es ist die Verantwortung aller, sich immerhin eine Grundbildung bzw. einen Überblick über die politische Landschaft zu machen. Was man dann mit den Informationen anfängt, ist meiner Meinung nach jedem selbst überlassen.
Für mich war eben ganz klar: Es besteht Handlungsbedarf. Junge Menschen werden viel zu oft bei wichtigen politischen Fragen außen vorgelassen. Nicht zuletzt bei Fragen rund ums Thema Klimaschutz halte ich dies für fatal.
Du hast kürzlich auf dem Podium der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema Bildungspolitik einen Politiker erlebt – was hat Dir das gebracht?
Ich fand es sehr interessant, auch wenn Herr Grunwald nicht der erste Politiker war, dem ich begegnen durfte. Er hat viel gesagt an dem Abend, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass sein Themenschwerpunkt ganz falsch gesetzt war.
Zu viel Gebäudesanierung, es ging viel zu wenig um berechtigte Wünsche der Schülerschaft.
Es gibt einige sog. „Leuchtturmschulen“, also solche, die so ganz anders bilden als die, die wir gemeinsam kennen. Was glaubst Du, warum werden die in der Politik nicht als verpflichtende Schulten gemacht?
Da muss ich leider passen. Ich bin nicht tief genug in der Materie in Bezug auf solche Schulen, als dass ich mir da eine Meinung zu gebildet hätte.
Gute Antwort, nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern klar gesagt: Weiß ich nicht. Übrigens etwas, was ich mir von Politiker*innen häufig wünsche, doch das ist ein anderes Thema … Aber zu dieser Frage weißt Du sicher etwas: Viele Experten, die sich jahrelang mit Bildungspolitik rumschlagen, sagen: Wir brauchen nicht mehr zu reformieren, wir müssen das Schulsystem ganz kippen. Deine Meinung dazu?
Ich halte es nicht für absurd. Es ist wichtig, auch ganz grundsätzliche Strukturen zu hinterfragen. Denn eine Begründung: “Das war schon immer so” reicht, finde ich, nicht aus.
Wenn es keine Begründung dafür gibt, warum etwas so ist, vielleicht sollte man sich dann Gedanken darüber machen, ob das so bleiben sollte.
Was ist denn so, das vielleicht so nicht bleiben sollte?
Vielleicht ist dieses Konzept einfach aus der Zeit gefallen: Eine Person steht vorne und 30 reden nach.
Man nennt das Frontalunterricht …
Danke, ja. Aber noch ein Beispiel: Gerade auch, wenn man sich das dreigliedrige Schulsystem ansieht, finde ich, besteht Änderungsbedarf. Warum sollten wir Kinder, die erst 10 Jahre alt sind, danach einteilen, wie gut sie in der Grundschule stillsitzen oder Zahlen addieren konnten? Das ist keine Individuelle Förderung, das ist (oft) Ungerechtigkeit.
Wenn das Nachrichtenmagazin Der Spiegel die Bundesbildungsministerin „Bundeszuschauerin“ nennt, ist das für Dich …
… berechtigt.
… und wenn Du Bundesbildungsminister wärst, was würdest Du in drei Schritten sofort ändern?
- Ein Konzept zur Bekämpfung von institutioneller Diskriminierung vorlegen.
- Die Meinung von Schüler*innen-Vertretungen stärker in tatsächliche Bildungspolitik einfließen lassen.
- Bildungsdisparitäten gezielt abschaffen, durch z.B. die Auflösung des dreigliedrigen Bildungssystems.
Benno Knobloch geht 2023 in der 10. Klasse der CJD Christophorusschule Königswinter. Er spielt Basketball, läuft gern und liebt es, sich ehrenamtlich zu engagieren. Seit 2 Jahren ist er in der Schülervertretung aktiv, engagiert sich auch in der Kirche. Lokalpolitisch tendiert er, wie auch seine ältere Schwester, zu den Jusos.
Als die Konrad-Adenauer-Stiftung zum Panel über Bildungspolitik einlud, war Benno sofort bereit, mit dem nordrhein-westfälischen Bildungspolitiker Jonathan Grunwald, der Bildungsexpertin Felise Maennig-Fortmann und einem Lehrer seiner Schule, Bernd Ulrich Schaefer, öffentlich zu diskutieren.
Auch der Einladung, ohfamoos ein Interview zu geben, fand er gut und stellte sich den Fragen von Elke Tonscheidt.
Weitere Infos:
Mehr über Leuchtturmschulen
Eine Schule, die besonders oft genannt wird als Vorbild: Die Alemannenschule, eine Gemeinschaftsschule in Wutöschingen
Auch ohfamoos hat, besonders in der Coronazeit, oft über das Thema Schule berichtet, hier ein Beispiel einer Schülerin
Fotos: via KAS, Benno Knobloch und Canva